Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Berufung gegen Gerichtsbescheid. Beendigung des Rechtsstreits aufgrund Klagerücknahmefiktion. Entscheidungshindernis für Sachentscheidung: Klärungsbedürftigkeit des Sachverhalts und ausstehende Stellungnahme. keine Lösung über Betreibensaufforderung
Leitsatz (amtlich)
Wenn sich ein Sozialgericht vor das Problem gestellt sieht, in der Sache nicht entscheiden zu können, weil der Sachverhalt noch nicht geklärt ist und das Sozialgericht vom Kläger noch eine Stellungnahme zur Sache erwartet, ist der Lösungsansatz nicht in einer Betreibensaufforderung nach § 102 SGG zu suchen, sondern in Regelungen, die das Herbeiführen der Entscheidungsreife betreffen.
Tenor
I. Auf die Berufung der Kläger wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 28. Juli 2017 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht Dresden zurückverwiesen.
II. Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Mit ihrer Berufung wenden sich die Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 28. Juli 2017, mit dem dieses festgestellt hat, dass die unter dem früheren Aktenzeichen S 23 AS 3619/15 geführte Klage aufgrund einer Klagerücknahmefiktion als zurückgenommen gilt.
Die 1981 geborene Klägerin bezog im streitigen Zeitraum in Bedarfsgemeinschaft lebend mit ihrem Lebensgefährten und ihrem Sohn, dem 2002 geborenen Kläger zu 2, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchenden – (SGB II).
Mit Bescheid vom 4. Juni 2014 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26. Juni 2014, 22. August 2014 und 24. Oktober 2014 bewilligte der Beklagte den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft Leistungen für die Zeit vom 1. Juli 2014 bis zum 31. Dezember 2014 in Höhe von monatlich 1.288,00 EUR, wovon auf die Klägerin zu 1 und ihren Lebensgefährten jeweils ein Regelbedarf in Höhe von 353,00 EUR sowie Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 168,34 EUR bzw. 168,33 EUR und auf den Kläger zu 2 ein Regelbedarf in Höhe von 77,00 EUR sowie Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 168,33 EUR entfielen. Darüber hinaus bewilligte die Beklagte dem Kläger zu 2 mit Bescheid vom 4. Juni 2014 Leistungen für Bildung und Teilhabe für die Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf in Höhe von 70,00 EUR.
Mit Schreiben vom 29. Januar 2015 hörte der Beklagte die Klägerin zu 1 in ihrer Eigenschaft als gesetzliche Vertreterin des Klägers zu 2 zu einer Überzahlung an, da dieser nach den Feststellungen des Beklagten seit dem 8. Januar 2013 nicht mehr im Haushalt der Klägerin zu 1 gelebt habe.
Mit Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 15. April 2015 hob der Beklagte die Bewilligungen in Bezug auf den Kläger zu 2 von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes und für Bildung und Teilhabe für die Zeit vom 1. Juli 2014 bis zum 31. Dezember 2014 ganz auf und forderte für Juli bis September 2014 monatlich 231,00 EUR, für Oktober bis Dezember 2014 monatlich 51,00 EUR sowie für Bildung und Teilhabe einen Betrag von 70,00 EUR, insgesamt 846,00 EUR, erstattet.
Den hiergegen von der Klägerin zu 1 eingelegten Widerspruch verwarf der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. Juni 2015 als unzulässig, da sich der angefochtene Bescheid nicht gegen die Klägerin zu 1, sondern den Kläger zu 2 richte. Die Klägerin zu 1 sei von der angefochtenen Entscheidung nicht betroffen.
Hiergegen haben die Kläger am 10. Juli 2015 Klage erhoben.
Mit Schreiben vom 9. September 2015 hat das Sozialgericht die Kläger zur Einreichung der zugrundeliegende Bescheide, der vollständigen Kontoauszüge der Kläger für den gegenständlichen Zeitraum und einer Prozessvollmacht unter Darlegung der Vertretungsbefugnis der Klägerin zu 1 (Sorgerecht) für den Kläger zu 2 sowie zur näheren Darlegung der Aufenthaltszeiten des Klägers zu 2 bei der Klägerin zu 1 im gegenständlichen Zeitraum aufgefordert. Mit Schriftsatz vom 16. Februar 2016 haben die Kläger mitgeteilt, dass das Kindergeld immer in bar von der Klägerin zu 1 an ihre Mutter, bei der sich der Kläger zu 2 in der Woche aufgehalten habe, weitergeleitet worden sei, und hierfür deren Zeugeneinvernahme zum Beweis angeboten. Die Klägerin zu 1 sei allein sorgeberechtigtes Elternteil. Mit richterlichem Schreiben vom 25. Februar 2016 sind die Kläger darauf hingewiesen worden, dass das gerichtliche Schreiben vom 9. September 2015 nicht beantwortet worden sei; die im Schreiben vom 9. September 2015 benannten Unterlagen sind erneut angefordert worden. Da keine Stellungnahme der Kläger erfolgt ist, hat das Sozialgericht mit Schreiben vom 5. April 2016, 6. Mai 2016 und 16. Juni 2016 an die Beantwortung erinnert. Mit Schriftsatz vom 6. Juli 2016 hat die Klägerbevollmächtigte die Beiziehung von Strafakten zu einem gegen die Klägerin zu 1 beim Amtsgericht A... unter dem Aktenzeichen ... geführten Strafverfahren angeregt.
Mit dem vom Kammer...