Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufsfördernde Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Abgrenzung Weiter- und Ausbildung. Umschulung zum Logopäden. Ausbildungsdauer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die berufsfördernden Rehabilitationsmaßnahmen der Aus- und der Weiterbildung nach § 33 Abs 3 SGB 9 sind nach den Kriterien des SGB 3 abzugrenzen.

2. Ob eine Bildungsmaßnahme eine Aus- oder eine Weiterbildung ist, bestimmt sich allein anhand der konkreten objektiven Ausgestaltung des Bildungsangebots selbst, nicht nach den subjektiven Umständen, die in der Person des Teilnehmers liegen. Maßgeblich sind der Zuschnitt, die Struktur und der Inhalt der Bildungsmaßnahme.

3. Die Regelförderdauer von zwei Jahren nach § 37 Abs 2 SGB 9 gilt nur für Leistungen zur beruflichen Weiterbildung, nicht für Leistungen zur Berufsausbildung.

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 17. November 2009 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von berufsfördernden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Konkret umstritten ist dabei, ob die Beklagte verpflichtet ist, eine dreijährige Ausbildung des Klägers zum Logopäden oder zum Atem-, Sprech- und Stimmlehrer zu fördern.

Der 1968 geborene Kläger absolvierte von September 1985 bis Juni 1987 eine Ausbildung zum Instandhaltungsmechaniker, die er mit Facharbeiterprüfung abschloss. Nach zweijähriger Tätigkeit in diesem Beruf begann er 1989 ein Hochschulstudium der Musik in L…, das er - unterbrochen durch mehrfache psychiatrische Behandlungen - 1996 erfolgreich mit dem Diplom als Chorsänger abschloss. Er war anschließend als Opernsänger an der Staatsoper in D… bis Oktober 1997 beschäftigt, begann danach ein Anschlussstudium für Konzertgesang in M…, das er im März 1998 erfolgreich abschloss. Danach war er an verschiedenen Theatern und Opernhäusern als Opernchorsänger beschäftigt, bis Oktober 2002 am Deutschen Nationaltheater in W…. Ende 2002 begann er eine Ausbildung zum Logopäden, die er wegen erneuter psychiatrischer stationärer Behandlungen im Mai 2003 abbrach. Seit September 2004 ist er als Chorsänger bei der Erzgebirgischen Theater- und Orchester GmbH in A…-B… beschäftigt. Er bezieht seit August 1998 wegen einer häufig rezidivierenden manisch-depressiven Erkrankung eine Rente wegen Berufsunfähigkeit, die wegen der Tätigkeit als Chorsänger derzeit nicht gezahlt wird.

Den mit der Begründung, die unregelmäßigen Arbeitszeiten als Chorsänger, insbesondere in den Abendstunden, hätten negative Auswirkungen auf seine Psyche und würden seine Erkrankung in Form von innerer Unruhe aufrechterhalten, gestellten Antrag auf berufliche Rehabilitation vom 15. Juli 1999 lehnte die Beklagte nach Beiziehung des im Rentenverfahren erstatteten Gutachtens auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet von Dr. St… (Ärztin für Neurologie und Psychiatrie) vom 26. Februar 1999, Einholung eines Befundberichtes von Dr. U… (Facharzt für Psychiatrie, Neurologie und Psychotherapie) vom 16. Juni 2000, eines weiteren Befundberichtes von Dr. W… (Fachärztin für Psychologie und Psychotherapie) vom 21. Dezember 2001, eines Gutachtens auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet bei Dipl.-Med. St… (Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie) vom 22. April 2002 und Durchführung einer Maßnahme zur Abklärung der beruflichen Eignung und Arbeitserprobung im Zeitraum vom 28. September 2003 bis 17. Oktober 2003 im Berufsförderungswerk E… mit Bescheid vom 18. Dezember 2003 und bestätigendem Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 2004 ab: Die vom Kläger begehrte Umschulung zum Logopäden bzw. Spracherzieher könne nicht gefördert werden, da Tätigkeiten in diesen Berufsbereichen auf Grund seiner gesundheitlichen Einschränkungen nicht leidensgerecht seien. Die angestrebte Tätigkeit sei regelmäßig mit erhöhten Anforderungen an psychische Stabilität, an die Kommunikationsfähigkeit, an die Frustrationstoleranz und an die Umstellungsfähigkeit verbunden. Wegen der Gefahr des Wiederauflebens der gesundheitlichen Beschwerden auf Grund der manisch-depressiven Erkrankung mit häufig rezidivierenden Phasen könne das Ziel einer dauerhaften Wiedereingliederung in das Erwerbsleben nicht erreicht werden.

Auf die hiergegen am 26. Juli 2004 erhobene Klage hat das Sozialgericht Leipzig Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt, den Rehabilitations-Entlassungsbericht des Rehabilitationszentrums B.. G… über ein Stimmheilverfahren vom 4. Oktober 2007 beigezogen, ein Gutachten auf audiologisch/phoniatrischem Fachgebiet bei Prof. Dr. M… Facharzt für HNO, Phoniatrie und Pädaudiologie) vom 20. Februar 2009 sowie ein Gutachten auf psychiatrischem Fachgebiet bei Dr. H… (Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie) vom 18. Mai 2009 eingeholt. Gestützt auf die Gutachten von Prof. Dr. M… und Dr. H… hat das Sozialgericht Leipzig mit Urteil vom 17. November 2009 den Bescheid der B...

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