Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Verschuldenskosten. missbräuchliche Rechtsverfolgung. Beurteilung. Abstellen auf objektive Aussichtslosigkeit bzw objektivierte Einsichtsfähigkeit
Leitsatz (amtlich)
Für § 192 Abs 1 S 1 Nr 2 SGG ist allein die objektive Aussichtslosigkeit oder die objektivierte Einsichtsfähigkeit maßgebend und nicht die individuelle Einsichtsfähigkeit des Beteiligten.
Tenor
I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist betreffend den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Leipzig vom 25. Mai 2015 wird abgelehnt.
II. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Wiederein-setzungsverfahren sind nicht zu erstatten.
Der Klägerin werden Verschuldenskosten in Höhe von 225,00 EUR auferlegt.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Verurteilung des Beklagten, ihrem Bevollmächtigten die Auskünfte zu geben, die auch der Klägerin zustehen.
Die 1956 geborene, alleinstehende Klägerin bezog von Mai 2008 bis Juni 2011 vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II). Zuletzt bewilligte er ihr mit Bescheid vom 17. Januar 2011 Leistungen für die Zeit vom 28. Dezember 2010 bis zum 30. Juni 2011. Etwas mehr als fünf Jahre später bewilligte er ihr mit Bescheid vom 4. März 2016 Leistungen für die Zeit vom 1. Dezember 2010 bis zum 27. Dezember 2010.
Der Rentenversicherungsträger bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 12. Mai 2011 rückwirkend ab dem 1. März 2010 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Die Klägerin hat eine größere Anzahl von Verfahren gegen den Beklagten betrieben. Derzeit sind noch etliche Verfahren beim Sozialgericht Leipzig und beim Sächsischen Landessozialgericht anhängig.
Nachdem der Beklagte den Bevollmächtigten der Klägerin im Verwaltungsverfahren, B..., als Bevollmächtigten zurückgewiesen hatte, erklärte der Beklagte im Verfahren Az. S 6 AS 3638/11 ER mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2011, dass "bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens [...] der Antragsgegner eventuell ergehende Verwaltungsakte – gem. § 38 SGB X – dem Bevollmächtigten der Antragstellerin eine Durchschrift übersenden und gem. § 13 Abs. 1 Satz 2 SGB X den Bevollmächtigten benachrichtigen" werde.
Mit Schreiben vom 5. Januar 2012 teilte die damalige Geschäftsführerin des Beklagten dem Klägerbevollmächtigten mit, dass ihm Auskünfte zu gegebenenfalls noch offenen Verfahren der Klägerin, in denen er nicht bevollmächtigt sei, aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht gegeben werden könnten. Bis zum Abschluss des Berufungsverfahrens Az. L 3 AS 529/11 würden schriftliche und telefonische Anfragen von ihm von Mitarbeitern des Beklagten nicht mehr beantwortet.
Die Klägerin persönlich hat mit Schreiben vom 29. März 2012, beim Sozialgericht Leipzig eingegangen am 2. April 2012, Klage erhoben mit dem Begehren, den Beklagten zu verurteilen, ihrem Bevollmächtigten die Auskünfte zu geben, die ihr zustehen. In der Klageschrift ist X... als Zustellungsbeauftragter benannt. Mit Schreiben vom 26. Mai 2015 hat B... mitgeteilt, dass X... nicht mehr als Zustellungsbeauftragter zur Verfügung stehe. Mit Schreiben vom 21. Juli 2015 hat er dann eine von der Klägerin am 14. Juli 2015 auf ihn ausgestellte Generalvollmacht zur Akte gereicht.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 27. Mai 2016 abgewiesen. Eine Abschrift des Gerichtsbescheides ist entsprechend einer Verfügung der Kammervorsitzenden nicht nur der Klägerin und X... zugestellt worden, sondern auch an Klägerbevollmächtigten. Die Zustellung an ihn ist ausweislich der Zustellungsurkunde am 2. Juni 2016 durch persönliche Übergabe erfolgt.
B..., nach eigenem Bekunden der Verlobte der Klägerin, hat am 6. Juni 2016 Berufung (Az. L 3 AS 665/16) eingelegt. In der mündlichen Verhandlung vom 1. Dezember 2016 hat er die Klage zurückgenommen.
Mit Schreiben vom 11. Juni 2017 hat B... die Rücknahme der Klagerücknahme (Az. L 3 AS 634/17) erklärt. Mit Urteil vom 13. Dezember 2018 ist der Antrag von B... auf Fortsetzung des Berufungsverfahrens, das unter dem Az. L 3 AS 665/16 geführt worden ist, verworfen worden, weil er als vollmachtloser Vertreter aufgetreten sei. Seine hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 25. April 2019 (Az. B 14 AS 163/19 B) als unzulässig verworfen.
Mit Schreiben vom 8. Mai 2018, eingegangen am 9. Mai 2018, hat der Klägerbevollmächtigte zu sechs Klageverfahren, unter anderem auch dem hier vorangegangenen, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Bezug auf die Berufungsfrist beantragt und Berufung eingelegt (Az. L 3 AS 472/18). Die Schreiben seien ihm erst vor drei Tage ausgehändigt worden. Es sei ein falscher Prozessbevollmächtigter benannt. X... sei seit Jahren nicht mehr Zustellungsbevollmächtigter gewesen. Im März 2019 ist die Bevollmächtigung der Klägerbevollmächtigten für dieses Verfahren nachgewiesen worden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß...