Entscheidungsstichwort (Thema)
Asylbewerberleistung. Kostenfestsetzung nach Widerspruchsverfahren. analoge Anwendung des § 64 Abs 1 S 1 SGB 10
Leitsatz (amtlich)
In Widerspruchsverfahren nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (juris: AsylbLG) sind in entsprechender Anwendung von § 64 Abs 1 SGB X keine Gebühren und Auslagen zu erheben. Es ist aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber absichtsvoll die Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz von dieser Privilegierung hinsichtlich der Verwaltungskosten ausnehmen wollte.
Tenor
I. Auf die Berufung der Kläger wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 25. August 2010 aufgehoben. Der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Dresden vom 7. Mai 2008 wird insoweit aufgehoben, als darin eine Gebühr in Höhe von 10,00 EUR festsetzt wurde.
II. Die außergerichtlichen Kosten der Kläger in beiden Rechtszügen hat der Beklagte im vollen Umfang zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte und Berufungsbeklagte (im Folgenden: Beklagter) von den Klägern und Berufungsklägern (im Folgenden: Kläger) eine Widerspruchsgebühr für die Erstellung eines Widerspruchsbescheides nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) erheben darf.
Die Kläger stammen aus dem früheren Jugoslawien, reisten 1992 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragten erfolglos politisches Asyl. Von der Landeshauptstadt Dresden erhalten sie Leistungen nach § 2 AsylbLG.
Am 03.12.2007 beantragten die Kläger zwecks Erfüllung der ihnen von der Ausländerbehörde abgeforderten Mitwirkung bei der Identitätsklärung und Passbeschaffung die Übernahme von Reisekosten für die Fahrt zur serbischen Botschaft nach Berlin, um dort einen Reisepass zu beantragen. Daraufhin gewährte die Landeshauptstadt Dresden mit Bescheid vom 11.12.2007 ein entsprechendes Darlehen in Form eines Gutscheins. Dagegen erhoben die Kläger Widerspruch. Mit Schreiben vom 16.01.2008 wurden die Darlehenshöhe und die Rückzahlungsmodalitäten erläutert.
Am 24.01.2008 wurde den Klägern jeweils eine bis 23.07.2008 gültige Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erteilt, weil ihre Passlosigkeit unverschuldet gewesen und sie den Mitwirkungsaufforderungen nachgekommen seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 07.05.2008 wies das damalige Regierungspräsidium Dresden den Widerspruch der Kläger gegen den Bescheid vom 11.12.2007 zurück (1.), bestimmte, dass die Kläger die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen haben (2.), und setzte eine Gebühr für diesen Bescheid von 10,00 EUR fest; Auslagen seien nicht angefallen (3.). Die Kostenlastentscheidung beruhe auf § 3 Verwaltungsverfahrensgesetz für den Freistaat Sachsen i.V.m. § 80 Verwaltungsverfahrensgesetz. Die Gebührenentscheidung ergebe sich aus §§ 3 Abs. 2, 11 Abs. 1 Sätze 4 und 5, 8, 6 Abs. 2 Sätze 2 bis 4 Sächsisches Verwaltungskostengesetz (SächsVwKG). Die Gebühr werde mit der Bekanntgabe des Bescheides fällig (§ 17 SächsVwKG). Der Widerspruchsbescheid wurde am 09.05.2008 zugestellt.
Hiergegen haben die Kläger am 09.06.2008 beim Sozialgericht Dresden insoweit Klage erhoben, als im Widerspruchsbescheid vom 07.05.2008 eine Gebühr in Höhe von 10,00 EUR festgesetzt wurde, weil das Widerspruchsverfahren im Gegensatz zur Rechtsansicht des Beklagten kostenfrei sei. Das gesamte Aufenthaltsrecht sei vom Bundesgesetzgeber auch hinsichtlich der Gebührentatbestände abschließend und bundeseinheitlich geregelt. Für das Asylverfahrensgesetz seien keine Kostentatbestände geschaffen worden; es sei daher kostenfrei. Nichts anderes gelte für das Asylbewerberleistungsgesetz. Daher sei § 3 Abs. 2 SächsVwKG, wonach eine etwaige Kostenfreiheit nicht für das Rechtsbehelfsverfahren gelte, hier nicht anwendbar. Dies werde bestätigt durch § 188 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und § 183 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Das Widerspruchsverfahren sei auch für Empfänger von Leistungen nach dem SGB II oder dem SGB XII, die deutlich höhere Leistungen erhielten, kostenfrei. Die Auffassung des Beklagten führe zu willkürlicher Ungleichbehandlung, die nicht zu rechtfertigen sei. Der Beklagte hat dem gegenüber erwidert, dass § 44 AufenthG nur für die Amtshandlungen nach diesem Gesetz gelte. Kostenfreiheit ergebe sich auch nicht aus § 64 Abs. 1 oder Abs. 2 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), weil es sich beim Asylbewerberleistungsgesetz nicht um einen Teil des Sozialgesetzbuches handele und es bestehe insoweit auch keine regelungsbedürftige Lücke. Die Gerichtskostenfreiheit habe keine Konsequenz für das Vorverfahren.
Auf Anfrage des Sozialgerichts hat die Zentrale Ausländerbehörde bei der Landesdirektion Chemnitz mit Schreiben vom 05.01.2010 mitgeteilt, dass in Widerspruchssachen, die das Asylbewerberleistungsrecht betreffen, von dort gegen die Beteiligten keine Widerspruchskosten festgesetzt worden seien. Dies sei historisch durch den Zusammenhang mit den ausländerrechtlichen Ange...