Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Ausbildungsgeld gem §§ 104 Abs 1 Nr 2, 107 SGB 3. Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM). kein Einkommenseinsatz. Anwendung von § 83 Abs 1 SGB 12. keine Zweckidentität. verfassungskonforme Auslegung
Leitsatz (amtlich)
Bei Ausbildungsgeld gemäß § 104 Abs 1 Nr 2, § 107 SGB 3 handelt es sich um eine Leistung auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften, die nicht demselben Zweck wie die Sozialhilfe dient und damit gem § 83 Abs 1 SGB 12 nicht als Einkommen zu berücksichtigen ist.
Orientierungssatz
§ 45 SGB 9 führt alle Geldleistungen auf, auf die behinderte Menschen gegen unterschiedliche Leistungsträger Anspruch haben können; abweichende Bestimmungen der betroffenen Leistungsbereiche gehen jedoch als lex specialis vor.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 24. Oktober 2007 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der dem Kläger zu gewährenden Grundsicherungsleistungen bei Erwerbsminderung.
Der am … 1987 geborene Kläger, der einen Grad der Behinderung von 70 aufweist und bei dem die Voraussetzungen der Merkmale B, G und H vorliegen, beantragte - durch seine zur Betreuerin bestellte Mutter - am 29. März 2005 Grundsicherungsleistungen bei der Beklagten. Er gab an, Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR sowie Leistungen des Arbeitsamtes zu beziehen und eine Werkstatt für behinderte Menschen zu besuchen. Der entsprechende Ausbildungsvertrag mit der Werkstatt für behinderte Menschen “L.-S.„ für die Zeit ab 1. September 2004 sowie der Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 7. September 2004 über die Bewilligung von Ausbildungsgeld nach § 97 ff. des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) i.V.m. §§ 33 und 44 ff. des Neunten Buches Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX) über die Bewilligung von Ausbildungsgeld vom 1. September 2005 bis 30. November 2005 in Höhe von 57,00 EUR monatlich war beigefügt. Belege über die Unfallversicherung für den Kläger mit einem Beitrag in Höhe von 8,94 EUR sowie über die erweiterte Haushaltversicherung mit einem Jahresbeitrag von 184,55 EUR wurden ebenfalls vorgelegt. Weiter wurden Unterlagen zu Einkommen und Ausgaben vorgelegt, wegen deren Inhalts auf Blatt 23 bis 36 der Akte der Beklagten verwiesen wird.
Die Beklagte ermittelte mietähnliche Kosten für das Eigenheim wie folgt: Wassergeld jährlich 276,53 EUR, Gebühren für Kanalisation jährlich 200,05 EUR, Müllabfuhr jährlich 73,71 EUR, Heizkosten jährlich 1013,73 EUR, Wasserschaden- und Haushaltspflichtversicherung 167,52 EUR jährlich, Strom jährlich 454,18 EUR, Steuern vom Grundbesitz 174,97 EUR, Versicherungsbeiträge 144,57 EUR und Grundschuldzinsen 2707,05 EUR jährlich. Die Eigenheimzulage belief sich auf 2094,17 EUR jährlich. In der Wohnung leben drei Personen.
Nach dem Ausbildungsvertrag mit der Werkstatt für behinderte Menschen wird keine Ausbildungsvergütung gezahlt. Der Kläger besuchte den Ausbildungs- bzw. Arbeitstrainingsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen, nicht hingegen deren Arbeitsbereich.
Nach Auswertung medizinischer Unterlagen erließ die Beklagte den Bescheid vom 27. Mai 2005, wonach der Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII) deswegen abgelehnt wurde, weil der Kläger nicht dauerhaft voll erwerbsgemindert sei.
Den hiergegen mit Schreiben vom 6. Juni 2005 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. November 2005 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 9. Dezember 2005 Klage erhoben.
Nach weiteren Ermittlungen hat die Beklagte im Laufe des Klageverfahrens den Bescheid vom 27. Mai 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. November 2005 aufgehoben und den Anspruch des Klägers auf Leistungen der Grundsicherung nach §§ 41 ff. SGB XII anerkannt. Mit Bescheid vom 18. Juni 2007 hat die Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 1. März 2005 bis 30. November 2006 Grundsicherungsleistungen für März bis November 2005 in Höhe von 320,38 EUR monatlich, für Dezember 2005 in Höhe von 310,38 EUR und für Januar bis November 2006 in Höhe von monatlich 363,98 EUR bewilligt. Es ist ein monatlicher Regelbedarf von 265,00 EUR, ein Mehrbedarf für Merkzeichen “G„ in Höhe von 45,05 EUR sowie für März bis Dezember 2005 anteilige Hauslasten in Höhe von 81,93 EUR monatlich, im Zeitraum Januar 2006 bis November 2006 in Höhe von 125,53 EUR monatlich zugrunde gelegt worden. Es sind 19,80 EUR aus Bewertung von Sachbezügen (kostenloses Mittagessen in der Werkstatt) sowie für die Zeit vom 1. März 2005 bis 30. November 2005 Ausbildungsgeld in Höhe von 57,00 EUR monatlich und für die restliche Zeit in Höhe von 67,00 EUR monatlich angerechnet worden. Versicherungsbeiträge für die Unfal...