Entscheidungsstichwort (Thema)

Unfallversicherung. Zur Veranlagung von Unternehmen nach Gefahrklassen im Bereich des 4. BGW Gefahrtarifs. Abgrenzung der Gefahrklassen ambulante sozialpflegerische Dienste vom Betreiben von Wohngemeinschaften. Zuordnung nach dem Gewerbezweigprinzip

 

Leitsatz (amtlich)

Das Gewerbezweigprinzip bei der Zuordnung zu Gefahrklassen gilt uneingeschränkt weiter im Sinne der Rechtsprechung des BSG auch für die Veranlagung von Unternehmen, die ambulante sozialpflegerische Dienste auch in Wohngemeinschaften erbringen.

 

Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 28. Februar 2014 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Der Streitwert wird auf 1.500,- EUR festgesetzt.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Veranlagung der Kläger innerhalb der Gefahrtarifstelle 15 mit dem Strukturschlüssel 0710 (ambulante sozialpflegerische Dienste, ambulante Hospizarbeit) zur Gefahrklasse 6,07.

Die Klägerin zu 1. ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Bereich der häuslichen Krankenpflege seit 2001. Gemäß § 2 des Gesellschaftsvertrages ist Gegenstand der Gesellschaft die Unterstützung und Pflege von Personen, die wegen ihres körperlichen Zustandes auf die Hilfe anderer angewiesen sind, weiterhin die häusliche Krankenpflege, ambulante Pflege, Haushaltshilfe, Hauspflege, Familienpflege und soziale Dienste. Im Unternehmen der Klägerin zu 1) waren nach Angaben der Klägerin im Jahr 2013 59 Mitarbeiter beschäftigt. Hiervon seien 16 im rein ambulanten Bereich tätig gewesen, 4 in der Verwaltung, 29 in Wohngemeinschaften und 10 bei intensiv zu betreuenden Kindern. Die Mitarbeiter, die Patienten in Wohngemeinschaften versorgten, führen die Wohngemeinschaften direkt an und begönnen und beendeten ihren Dienst ausschließlich dort.

Die Klägerin zu 2. ist Gesellschafterin/Geschäftsführerin der Hauskrankenpflege C… K… GmbH. Der Kläger zu 3. ist seit 01.01.2008 Gesellschafter des Unternehmens.

Im Jahr 2001 stellte die Beklagte ihre Zuständigkeit fest und veranlagte das Unternehmen der Klägerin als “ambulanten sozialpflegerischen Dienst„ innerhalb der Tarifstelle 15 zur Gefahrklasse 4,20 im zweiten Gefahrtarif, der in der Zeit vom 01.01.2001 bis zum 31.12.2006 gültig war.

Mit Wirkung ab dem 01.01.2007 erließ die Beklagte einen neuen Gefahrtarif, nunmehr den 3. Gefahrtarif.

Mit Bescheid vom 15.11.2012 veranlagte die Beklagte das Unternehmen der Kläger nach dem ab 01.01.2013 geltenden 4. BGW-Gefahrtarif als Unternehmen für ambulante sozialpflegerische Dienste innerhalb der Gefahrtarifstelle 15 mit dem Strukturschlüssel 0710 (ambulante sozialpflegerische Dienste, ambulante Hospizarbeit) zur Gefahrklasse 6,07.

Mit separaten Bescheiden ebenfalls vom 15.11.2012 veranlagte die Beklagte die Klägerin zu 2. und den Kläger zu 3. jeweils innerhalb der Gefahrtarifstelle 15 zur Gefahrklasse 6,07.

Der 4. Gefahrtarif der Beklagten lautet wie folgt:

Die Klägerin zu 1. legte am 14.12.2012 und die Kläger zu 2. und 3. am 18.12.2012 Widerspruch gegen die Veranlagungsbescheide ein. Die Kläger begründeten ihre Widersprüche damit, dass einige der Mitarbeiter der GmbH nicht bzw. nicht nur in der ambulanten Pflege eingesetzt seien, sondern auch in Wohngemeinschaften tätig seien. Für diese Mitarbeiter sei eine Veranlagung innerhalb der Tarifstelle 11 mit der Gefahrklasse 3,50 vorzunehmen. Das Unfallrisiko sei bei einer ambulanten Versorgung in einer Wohngemeinschaft erheblich gesenkt, da mit einer einzigen Fahrt der Pflegekraft eine Vielzahl von Patienten versorgt werden könne. Für die Zuordnung zur Tarifstelle "Heime und Wohneinrichtungen" müsse es ausreichen, wenn ein Pflegedienst seine Leistungen in vergleichbaren Einrichtungen erbringe. Aus dem Gefahrtarif gehe nämlich nicht hervor, dass ein Unternehmer, dessen Unternehmen zu veranlagen sei, den in einer Tarifstelle genannten Gewerbezweig auch selbst betreiben müsse.

Mit separaten Widerspruchsbescheiden vom 11.06.2013 wies die Beklagte die Widersprüche der Kläger als unbegründet zurück. Es obliege grundsätzlich den gewerblichen Berufsgenossenschaften, sich für einen Tätigkeits-Gefahr-Tarif oder einen Gewerbezweig Gefahrtarif zu entscheiden. Während bei einem Tätigkeitsgefahr-Tarif für die risikoärmeren Tätigkeiten im Unternehmen niedrigere Beiträge anfallen, für die risikoreicheren Tätigkeiten hingegen höhere, ergebe sich beim Gewerbezweigtarif ein Beitrag, der zwischen diesen Extremen liege. Da die Gewerbezweigtarife den Vorteil eines deutlich geringeren Melde- und Erfassungsaufwandes und damit auch einer höheren Genauigkeit hätten, seien mittlerweile die gewerblichen Berufsgenossenschaften dazu übergegangen, Gewerbezweigtarife zu beschließen. Die Gewerbezweige seien durch so genannte Strukturschlüssel repräsentiert, wobei dem Strukturschlüssel (Gewerbezweig) 07/10 Unternehmen zugeordnet seien, die ambulante Leistungen für Kranke und/oder pflegebedürftige Personen e...

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