Entscheidungsstichwort (Thema)

Vollständigkeit der Belehrung und Fristsetzung vor Beendigung der freiwilligen Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenbersicherung wegen Beitragsrückständen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die vor Beendigung der freiwilligen Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung wegen Beitragsrückständen zu erteilende Belehrung muss richtig, vollständig und verständlich sein. Sie darf sich nicht auf die bloße Wiederholung des Gesetzeswortlauts beschränken. Sie muss die weitreichenden rechtlichen Konsequenzen, nämlich das drohende Ende der Mitgliedschaft, klar und unmissverständlich aufzeigen.

2. Die Belehrung muss deutlich machen, dass für die Abwendung des Verlusts der Mitgliedschaft allein die Entrichtung bzw. der Rückstand der Krankenversicherungsbeiträge ausreichend, aber auch erforderlich ist; auf Rückstände des Pflegeversicherungsbeitrags darf nicht abgehoben werden.

3. Vor Beendigung der freiwilligen Mitgliedschaft wegen Beitragsrückständen muss nach der ersten Fristsetzung noch eine Nachfrist gesetzt werden.

4. Die Nachfrist muss so bemessen sein, dass sie zur Zahlung der rückständigen Beiträge noch eine reale, wenn auch zeitlich knapp bemessene Chance bietet.

 

Normenkette

SGB V § 191 Nr. 3 Fassung 1997-06-23; BGB § 366 Abs. 1-2; SGB XI § 20 Abs. 3, § 49 Abs. 1 S. 2

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 15.11.2001 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die freiwillige Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten wegen Nichtentrichtung fälliger Beiträge zum 15.04.2000 geendet hat.

Der Kläger war seit 1997 als Rentner bei der Beklagten im Rahmen einer freiwilligen Mitgliedschaft krankenversichert. Er leidet unter rezidivierenden Angina-pectoris-Anfällen; seit Dezember 1997 besteht wegen einer terminalen Niereninsuffizienz Dialysepflicht. Ab dem Jahr 2000 betrugen die monatlichen Beiträge zur Krankenversicherung 346,04 DM und zur Pflegeversicherung 46,32 DM.

Am 03.05.2000 wurde beim Kläger im Städtischen Klinikum S.. G... in L... eine Herzkatheteruntersuchung durchgeführt. Wegen eines kompletten Verschlusses der rechten Kranzarterie wurde der Kläger nachfolgend vom 19.05.2000 bis 05.06.2000 im Herzzentrum der Universität L... stationär behandelt. Dort wurde am 25.05.2000 eine 2-fach Bypassoperation durchgeführt.

Mit Schreiben vom 28.04.2000 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die Zahlung der fälligen Beiträge zur Krankenversicherung sicherlich übersehen zu haben. Er werde gebeten, den Gesamtrückstand zu begleichen. Es werde darauf hingewiesen, dass die Mitgliedschaft mit Ablauf des nächsten Zahltages ende, falls für zwei Monate die fälligen Beiträge nicht entrichtet worden seien. Der Zahlungsrückstand wurde wie folgt ausgewiesen:

Saldo 31.03.2000 396,24 DM Beiträge 03.04.2000 392,36 DM Banküberweisung 11.04.2000 200,00 DM Säumniszuschläge 25.04.2000 5,00 DM Gesamtrückstand 593,60 DM Wann dieses Schreiben von der Beklagten zur Post aufgegeben wurde und der Ehefrau des Klägers zugegangen ist, lässt sich nicht mehr feststellen.

Mit Schreiben vom 04.05.2000, mit Postzustellungsurkunde der Ehefrau des Klägers am 05.05.2000 zugestellt, mahnte die Beklagte eine Überweisung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung bis 10.05.2000. Falls der Beitrag nicht rechtzeitig gezahlt werde, müsse die Mitgliedschaft zum 15.04.2000 beendet werden. Der Rückstand wurde wie folgt ausgewiesen:

Februar 193,24 DM März 392,36 DM Säumniszuschläge 8,00 DM Gesamt: 593,60 DM

Zahlungen waren vom Kläger wie folgt getätigt worden:

02.02.2000 500 DM, Wertstellung vom 07.02.2000 09.02.2000 270 DM, Wertstellung vom 14.02.2000 01.03.2000 396 DM, Wertstellung vom 06.03.2000 05.04.2000 200 DM, Wertstellung vom 10.04.2000 10.05.2000 400 DM. Wertstellung vom 16.05.2000

Mit Bescheid vom 16.05.2000 stellte die Beklagte wegen eines Zahlungsrückstandes für zwei Monate die Beendigung der Mitgliedschaft zum 15.04.2000 fest. Der Gesamtrückstand belaufe sich zuzüglich des Beitrages für den Monat April und Mahngebühren auf 792,75 DM.

Auf die telefonische Mitteilung der Ehefrau des Kläger vom 29.05.2000 über eine für den 29.05.2000 beabsichtige Zahlung in Höhe von 978,32 DM und der Bitte um Weiterführung der Mitgliedschaft, wies die Beklagte mit Schreiben vom 22.05.2000 daraufhin, sich wegen einer Kostenübernahme für die Krankenhausbehandlung an das zuständige Sozialamt zu wenden.

Mit Widerspruch vom 06.06.2000 trug der Kläger vor, seit 1997 gesundheitlich sehr beeinträchtigt zu sein. Aufgrund einer neuerlichen Herzkatheteruntersuchung sei eine Bypassoperation notwendig geworden. Seine Ehefrau sei dadurch ebenfalls sehr belastet gewesen und habe Aufregung und Ärger verständlicherweise von ihm fern gehalten. Die Zahlungsrückstände seien ihm deshalb nicht bekannt gewesen. Seine Ehefrau bedauere nun ihr ...

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