Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf bei kostenaufwändiger Ernährung. Hyperlipidämie. Hypertonie. Hyperurikämie. Diabetes mellitus. Mehrbedarf für unabweisbaren laufenden besonderen Bedarf. Schuhe und Strumpfwaren in Übergröße
Leitsatz (amtlich)
1. Die medizinisch erforderliche Ernährung mit "Vollkost" bedingt keinen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung im Sinne des § 21 Abs 5 SGB II.
2. Beim Kauf von Schuhen ist im Regelfall nicht davon auszugehen, dass diese jedes halbe Jahr neu gekauft werden müssen. Der Bedarf zum Erwerb von Schuhen stellt daher keinen laufenden Bedarf im Sinne von § 21 Abs 6 S 1 SGB II dar.
3. Der Kauf von Schuhen in Übergröße 50 H ist nicht unabweisbar bzw erheblich im Sinne von § 21 Abs 6 S 1 und 2 SGB II, da die konkreten monatlichen Mehraufwendungen die "Geringfügigkeitsgrenze" nicht überschreiten und die entstehenden Kosten aus Einsparungen des Regelbedarfs gedeckt werden können.
Normenkette
SGB II § 21 Abs. 5, § 6 Sätze 1-2, § 7 Abs. 1
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 9. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.
II. Notwendige außergerichtliche Kosten hat der Beklagte auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Bewilligung höherer Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.06.2011 bis 31.05.2013, insbesondere ob dem Kläger Mehrbedarfe für besondere Ernährung und Anschaffung von Schuhen und Strümpfen aufgrund seiner Größe zustehen.
Der 1956 geborene Kläger steht seit 2005 im laufenden Leistungsbezug beim Rechtsvorgänger des Beklagten. Der Kläger ist 1,91 m groß, wiegt ca. 106 kg und ist geschieden. Er trägt Schuhgröße 50 H, wobei das H für eine Bequemweite bei kräftigen Füßen steht. Wegen einer Bescheinigung seiner behandelnden Ärztin über die Notwendigkeit einer entsprechenden Reduktionskost wegen Hyperlipidämie, Hypertonie und Hyperurikämie bei Adipositas gewährte der Beklagte dem Kläger einen Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung ab Januar 2005. Seit 01.02.2007 bewohnt der Kläger eine 39 m² große Zweiraum-Wohnung in der A-Straße in A...., für die 175,50 € Grundmiete und im streitgegenständlichen Zeitraum 120,00 € für Neben- und Heizkosten zu zahlen waren.
Auf entsprechenden Weiterbewilligungsantrag zahlte der Beklagte ab Juni 2009 den Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung nicht mehr, weil nach neueren medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen nicht mehr von einem erhöhten Ernährungsbedarf beim Kläger angesichts der bei ihm vorliegenden Erkrankungen auszugehen sei. Wegen dieses Mehrbedarfs für Ernährung führte der Kläger in den Jahren 2010 und 2011 drei Verfahren beim Sozialgericht Chemnitz, in denen er die Gewährung des entsprechenden Mehrbedarfs für die Zeit vom 01.06.2009 bis 31.05.2011 begehrte (S 27 AS 272/10 - Leistungszeitraum 01.06.2009 bis 31.05.2010; S 27 AS 4070/10 - Leistungszeitraum 01.06.2010 bis 30.11.2010; S 27 AS 1206/11 - Leistungszeitraum 01.12.2010 bis 31.05.2011). Der Kläger vertrat darin die Auffassung, er habe aufgrund seiner Größe einen höheren Ernährungsbedarf als eine Durchschnittsperson. Er müsse sich purin-, fett- und salzarm ernähren. Entsprechende Lebensmittel seien teuer. Zudem müsse ihm neben dem Mehrbedarf für Ernährung auch ein Sonderbedarf für Bekleidung gewährt werden. Er habe aufgrund seiner Größe und Schuhgröße Schwierigkeiten, genormte Kleidung und Schuhe zu kaufen. Die größeren Schuhe seien teurer und vom Regelbedarf nicht zu bestreiten. Die gegen die klageabweisenden Urteile des Sozialgerichts Chemnitz vom 09.06.2011 zum Sächsischen Landessozialgericht erhobenen Nichtzulassungsbeschwerden wurden mit Beschlüssen vom 10.11.2011 zurückgewiesen (L 2 AS 621/11 NZB, L 2 AS 622/11 NZB und L 2 AS 623/11 NZB).
Auf den Weiterbewilligungsantrag des Klägers vom 12.04.2011 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 26.04.2011 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.06.2011 bis 30.11.2011 in Höhe von monatlich 659,50 €. Den dagegen erhobenen Widerspruch vom 23.05.2011 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.07.2011 als unbegründet zurück. Mit dem pauschaliert gezahlten Regelbedarf an Leistungsempfänger müsse der Kläger seine Bedarfe decken können.
Auf den Weiterbewilligungsantrag des Klägers vom 11.10.2011 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 28.10.2011 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.12.2011 bis 31.05.2012 in Höhe von monatlich 659,50 € und mit Änderungsbescheid vom 26.11.2011 für die Zeit vom 01.01.2012 bis 31.05.2012 in Höhe von 669,50 €. Den dagegen erhobenen Widerspruch vom 24.11.2011 wies der Beklagte ebenfalls mit Widerspruchsbescheid vom 05.01.2012 als unbegründet zurück.
Auf den Weiterbewilligungsantrag des Klägers vom 17.04.2012 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 23.04.2012 Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.06.2012 bis 30.11.2012 in Höhe von monatlich 669,50 €. Den dagegen erhobenen...