Verfahrensgang

SG Chemnitz (Urteil vom 26.02.1996; Aktenzeichen S 7 Kn 156/95)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 26. Februar 1996 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Bergmannsvollrente wegen Vollendung des 45. Lebensjahres.

Die am … geborene Klägerin absolvierte in der Zeit vom 01.09.1966 bis zum 07.07.1968 eine Lehre als Chemielaborantin im VEB … der späteren … Zwickau (VEB). Mit Ausnahme einer unbezahlten Freistellung (vom 01.06.1972 bis zum 23.04.1973) im Anschluß an die Geburt ihres Kindes (22.03.1972) war sie dort vom 08.07.1968 bis zum 30.11.1992 als Chemielaborantin beschäftigt. Im Sozialversicherungsausweis findet sich für jedes Jahr ab 08.07.1968 bis einschließlich 1976 der Eintrag „bergm. Tätigkeit Kokerei Chemielaborantin” und ab 1977 bis einschließlich März 1992 der Eintrag „Bergm. Tätigkeit „e” Chemielaborantin”. Ab 01.12.1992 bezog die Klägerin sodann Arbeitslosengeld. Zu der Tätigkeit in der Kokerei hat sie angegeben, das Betriebslabor habe sich inmitten der Kokerei befunden. Ihre Hauptaufgabe habe darin bestanden, Proben vor Ort zu entnehmen, etwa Benzol aus Behältern oder Proben aus Koks.

Über die Einbeziehung von Frauen in die bergbauliche Versicherung wurde in der früheren DDR hinsichtlich der Gewährung von Bergmannsvollrenten zwischen der Betriebsgewerkschaftsleitung (BGL) des VEB, dem Zentralvorstand der IG Bergbau/Energie in Halle, dem Bundesvorstand des FDGB (Verwaltung der Sozialversicherung) und der Obersten Bergbehörde beim Ministerrat der DDR folgender Schriftwechsel geführt:

In ihrem Schreiben vom 08.06.1988 wandte sich die BGL mit Hinweis auf eine Sonderentscheidung zugunsten der SDAG Wismut an die IG Bergbau/Energie; in dem Schreiben ist angegeben, es sei bekannt geworden, daß Frauen bereits ab Vollendung des 45. Lebensjahres eine Bergmannsvollrente bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen des § 37 der 1. Rentenverordnung (RentenVO) vom 23.11.1979 (DDR-GBl. I S. 401), erhalten würden.

Hierauf wandte sich die IG Bergbau/Chemie an den FDGB-Bundesvorstand, der dieser unter dem 18.07.1988 mitteilte, bei der SDAG Wismut seien einige Frauen tätig bzw. tätig gewesen, die der Untertagetätigkeit gleichgestellte Arbeiten im Sinne des § 41 Abs. 1 Buchst. b bis d der 1. Durchführungsbestimmung zur Rentenverordnung (1. DB-RentenVO) verrichtet hätten. Ebenso wie für die SDAG Wismut werde auch für Frauen des VEB die Auffassung vertreten, daß eine Bergmannsvollrente ab Vollendung des 45. Lebensjahr gewährt werden solle. Die Erfüllung der Voraussetzungen seien jedoch sorgfältig zu prüfen. In den Gesprächen anläßlich der Zuerkennung der Bergmannsvollrente müsse den Frauen dargelegt werden, daß es sich um Einzelentscheidungen handele. Diesem Schreiben war ein weiteres Schreiben vom 17.03.1987 als Anlage beigefügt, dem zu entnehmen ist, daß „in Übereinstimmung mit den Zentralvorständen der IG Wismut und Bergbau-Energie und den zuständigen staatlichen Organen” 1975 entschieden worden sei, den wenigen Frauen – überwiegend aus dem Bereich der SDAG Wismut –, die Untertagetätigkeiten ausgeübt hätten, ab Vollendung des 45. Lebensjahres eine Bergmannsvollrente zu gewähren. Da nach der Arbeitsschutzanordnung Nr. 5 Frauen grundsätzlich nicht unter Tage arbeiten dürften, sei eine Bergmannsvollrente für Frauen in der RentenVO nicht geregelt. Die wenigen Fälle seien daher zentral vom FDGB-Bundesvorstand zu entscheiden.

Unter dem 29.07.1988 teilte sodann die IG Bergbau/Energie der BGL in enger Anlehnung an den Wortlaut des Schreibens vom 18.07.1988 dessen Inhalt mit und bat bzgl. der in Betracht kommenden Frauen um Angabe der Beschäftigungszeiten unter Tage.

Am 21.09.1988 wandte sich der FDGB-Bundesvorstand an die Oberste Bergbehörde und führte aus, daß man die IG Bergbau/Energie gebeten habe, sorgfältig zu prüfen, ob die Voraussetzungen erfüllt seien. Unter Auswertung des (nicht vorliegenden) Schreibens der IG Bergbau/Energie vom 08.09.1988 sei man – anders als die BGL – nicht der Auffassung, daß die Frauen des VEB eine der Untertagearbeit gleichgestellte Tätigkeit im Sinne des § 41 Abs. 1 Buchst. e der 1. DB-RentenVO ausübten. Bereits Mitte der siebziger Jahre sei man in Abstimmung mit dem Leiter der Obersten Bergbehörde davon ausgegangen, daß eine Gleichstellung nur für die Tätigkeit des Kokereiarbeiters zulässig sei. Eine Ausdehnung auf Mitarbeiter in Kokereilabors und auf TKO-Kontrollbeauftragte werde durch den Gesetzestext nicht gestützt. Dieselbe Rechtsauffassung habe 1986 der Vorsitzende der Zentralen Beschwerdekommission für Sozialversicherung beim FDGB-Bundesvorstand vertreten. Mit Wirkung ab 01.01.1978 sei lediglich die Tätigkeit im VEB in die Liste der bergmännischen Tätigkeiten nach § 41 Abs. 1 Buchst. i der 1. DB-RentenVO aufgenommen worden. Die vom VEB gemeldeten ...

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