Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenärztliche Vereinigung. Honorarverteilungsvertrag ab 1.4.2005. Rechtmäßigkeit. Individualbudgetierungsregelung. Fortführung iS der Öffnungsklausel in Teil III Ziff 2.2 des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29.12.2004. Zulässigkeit von Arztzahlveränderungsregelungen
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Honorarverteilungsregelung in einem ab 1.4.2005 geltenden Honorarverteilungsvertrag, die zwar feste Punktwerte, aber Individualbudgets vorsieht, entspricht weder den gesetzlichen Vorgaben über Regelleistungsvolumen (§ 85 Abs 4 S 7 und 8 SGB 5) noch den Anforderungen der vom Bewertungsausschuss in Teil III Nr 2.2 seines Beschlusses vom 29.10.2004 geschaffenen Öffnungsklausel.
2. Mittelbar-faktische Folgewirkungen einer früher beachteten rechtswidrigen Honorarverteilungsregelung (hier: Arztzahlveränderungsregelung) verstoßen nicht gegen den Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit.
Orientierungssatz
1. Ein Steuerungsinstrument wird nur dann iS der Öffnungsklausel in Teil III Ziff. 2.2 des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29.12.2004 "fortgeführt", wenn es im Wesentlichen bereits im Quartal I/2005 im Honorarverteilungsmaßstab vorgesehen war. Daran fehlt es, wenn zum Quartal II/2005 im vergleich mit den vorher geltenden Honorarverteilungsregelungen sehr viele Änderungen vorgenommen werden (vgl BSG vom 3.2.2010 - B 6 KA 31/08 R = BSGE 105, 236 = SozR 4-2500 § 85 Nr 53 und vom 18.8.2010 - B 6 KA 27/09 R = SozR 4-2500 § 85 Nr 58). Anders kann es sich verhalten, wenn nur einzelne Änderungen erfolgen, die nicht von den gesetzlichen Vorgaben des § 85 Abs 4 S 6 bis 8 SGB 5 wegführen, sondern eine Annäherung an diese Vorgaben bewirken (vgl BSG vom 17.3.2010 - B 6 KA 43/08 R = BSGE 106, 56 = SozR 4-2500 § 85 Nr 54).
2. Die Öffnungsklausel in Teil III Ziff. 2.2 des Beschlusses des Bewertungsausschusses vom 29.12.2004 verlangt eine Vergleichbarkeit der Auswirkungen der Steuerungsinstrumente, also der Honorarverteilungsergebnisse, die sie bewirken. Eine Vergleichbarkeit der Ziele genügt nicht.
3. Zur Unvereinbarkeit von Arztzahlveränderungsregelungen mit dem Grundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit (vgl BSG vom 29.8.2007 - B 6 KA 2/07 R = SozR 4-2500 § 85 Nr 34 und vom 22.6.2005 - B 6 KA 68/04 B).
Nachgehend
BSG (Vergleich vom 09.05.2012; Aktenzeichen B 6 KA 25/11 R) |
Tatbestand
Streitig ist die Höhe des vertragsärztlichen Honorars im Quartal IV/2005.
Die Klägerin nimmt seit 01.04.2002 als Fachärztin für Hals-Nasen-Ohren-(HNO-) Heilkunde in Dresden an der vertragsärztlichen Versorgung teil.
Der Honorarverteilungsmaßstab (HVM) im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) sah ab dem Quartal III/1996 fachgruppenbezogene Teilbudgets vor (§ 2 Abs. 3 HVM vom 23.11.1996). Ab dem Quartal I/2000 wurde die Gesamtvergütung getrennt für den haus- und fachärztlichen Versorgungsbereich verteilt (§ 3 HVM vom 24.06.2000). Nach Auslaufen der Praxisbudgetierung durch den Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) wurden ab dem Quartal III/2003 die Honoraranforderungen - mit Ausnahme einzelner Leistungen und Leistungserbringer (§ 7 Abs. 3 und 4 HVM vom 11.06.2003) - einer individuellen Begrenzung unterworfen. Dazu wurde jeder Praxis ein persönliches Punktmengenvolumen (PMV) zugewiesen (§ 7 Abs. 1 Unterabs. 1 HVM vom 11.06.2003), das auf der Grundlage der im Bemessungszeitraum (Quartale III/2001 bis II/2002) abgerechneten und anerkannten Punktmenge beruhte (§ 7 Abs. 1 Unterabs. 2 HVM vom 11.06.2003; siehe auch § 7 Abs. 1 Unterabs. 2 HVM vom 23.12.2004). Eine Sonderregelung erlaubte Jung- und Neuärzten bis zum Erreichen einer Niederlassungsdauer von 16 Quartalen eine Abrechnung bis zum durchschnittlichen PMV der Vergleichsgruppe und sah für sie im Anschluss daran sowie für Altärzte mit unterdurchschnittlichem PMV Zuwächse auf das durchschnittliche PMV der Vergleichsgruppe vor (§ 7 Abs. 5 HVM vom 11.06.2003, 26.11.2003 und 23.12.2004). Ab dem Quartal II/2005 wurden die PMV durch Regelleistungsvolumina (RLV) ersetzt (§ 7 HVM vom 14.04.2005). Grundlage für die Bestimmung der RLV bildeten grundsätzlich die zum 31.03.2005 gültigen PMV (§ 7 Abs. 2 Buchst. a HVM vom 14.04.2005). Auf diese - gegebenenfalls angepassten (§ 7 Abs. 2 Buchst. b bis d HVM vom 14.04.2005) - PMV waren die in Anlage 2 zum HVM vom 14.04.2005 ausgewiesenen Anpassungsfaktoren, die auf Grundlage der Anlage 4 zum HVM vom 14.04.2005 unter Berücksichtigung eines rechnerischen Sicherheitsabschlags von 5 % ermittelt wurden, anzuwenden und ergaben das neue RLV (§ 7 Abs. 3 HVM vom 14.04.2005). Die innerhalb des RLV geltend gemachte Punktmenge wurde mit einem einheitlichen Regelleistungspunktwert von 4,0 ct im hausärztlichen und von 3,75 ct im fachärztlichen Versorgungsbereich vergütet; die das RLV überschreitende Punktmenge wurde mit dem jeweiligen Restpunktwert vergütet (§ 7 Abs. 4 HVM vom 14.04.2005), der bei den Hausärzten und den fachärztlichen Honorargruppen 0,1 ct nicht übersteigen durfte (§ 4 Abs....