Entscheidungsstichwort (Thema)
Halbwaisenrente. Promotionsstudium. Hochschulausbildung. Berufsausbildung
Leitsatz (redaktionell)
Bei einem Promotionsstudium handelt es sich nicht um eine Hochschulausbildung oder Berufsausbildung i.S.v. § 48 SGB VI, da hier die Wissensvermittlung unzweifelhaft nicht im Vordergrund steht.
Normenkette
SGB VI § 48 Abs. 1
Verfahrensgang
SG Leipzig (Urteil vom 09.10.2001; Aktenzeichen S 8 RA 327/01) |
Nachgehend
Tenor
I. Das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 09. Oktober 2001 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten eine Halbwaisenrente für die Dauer seines Promotionsstudiums. Der am … 1975 geborene Kläger schrieb sich nach einem abgeschlossenen Soziologie-Studium als Promotionsstudent an der Universität Leipzig ein im Oktober 1998. Am 14.9.2000 beantragte er bei der Beklagten die Gewährung einer Halbwaisenrente aus der Versicherung seines am … 1998 verstorbenen Vaters Günter … Die Beklagte lehnte diesen Antrag ab (Bescheid vom 12.2.2001), weil der Kläger das 18. Lebensjahr bereits vollendet habe. Ein Anspruch auf Waisenrente bis zum 27. Lebensjahr bestehe nur für ein Kind, das sich in der Schul- oder Berufsausbildung befinde, ein freiwilliges soziales Jahr leiste oder wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande sei, sich selbst zu unterhalten. Ein Promotionsstudium sei nicht als Schul- oder Berufsausbildung im Sinne des § 48 Abs. 4 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) anzusehen. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein am 23.2.2001. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe in seinem Urteil vom 9.6.1999 (Az. VI R 92/98) das Promotionsstudium als Berufsausbildung im Sinne des EStG angesehen, sofern dieses ernsthaft und nachhaltig betrieben werde. Deshalb werde für ihn noch immer Kindergeld gezahlt. Die Beklagte erließ unter dem 2.4.2001 einen Widerspruchsbescheid. Das Urteil des BFH könne nicht zur Auslegung des § 48 Abs. 4 SGB VI herangezogen werden, da sich die Zweckrichtung des Kindergeldes zum 1.1.1996 verändert habe: Seither diene es vorrangig zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums des Kindes bei seinen Eltern, so dass hinsichtlich des Begriffs der Berufsausbildung im Rahmen des Familienleistungsausgleichs nur eingeschränkt auf die Rechtsprechung der Sozialgerichte zum Bundeskindergeldgesetz (BKGG) a.F. zurückgegriffen werden könne. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei die wissenschaftliche Ausbildung mit dem Bestehen der ersten den Studiengang abschließenden Prüfung beendet. Zudem fehle der Promotion der Ausbildungscharakter, denn sie diene allein zum Nachweis der Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit.
Dagegen richtet sich die am 30.4.2001 vor dem Sozialgericht Leipzig (SG) erhobene Klage. Eine Promotion diene auch der wissenschaftlichen Ausbildung. Dementsprechend habe der Kläger Kurse, Seminare und Kolloquien besuchen und Leistungsbeiträge erbringen müssen. Abschließend sei eine umfangreiche Doktorprüfung zu absolvieren. Der Kläger meint, er werde bei Nichtgewährung der Halbwaisenrente gegenüber solchen Promotionsstudenten benachteiligt, deren Eltern noch lebten. Das SG hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger auch für die Dauer der Promotion bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres Halbwaisenrente zu zahlen (Urteil vom 9.10.2001). Zwar handele es sich bei dem Promotionsstudium um keine Ausbildung im Sinne des § 48 Abs. 4 SGB VI, wohl aber um eine Berufsausbildung, die ebenfalls in der genannten Vorschrift erwähnt sei. Denn die Promotion diene der weiteren wissenschaftlichen Ausbildung des Hochschulabsolventen. Sie sei unter Gleichheitsgesichtspunkten nicht anders zu bewerten als die Meisterausbildung nach der Gesellenzeit. Die Beklagte argumentiere widersprüchlich, wenn sie einerseits die Rechtsprechung des BFH wegen der geänderten Zweckrichtung des Kindergeldrechts seit 1996 nicht heranziehen wolle, sich andererseits aber auf die ältere Rechtsprechung des BSG zum genannten Rechtsgebiet beziehe.
Gegen das ihr am 14.12.2001 zugestellte Urteil hat die Beklagte Berufung zum Sächsischen Landessozialgericht eingelegt am 10.1.2002 unter Bezugnahme auf ihre im Widerspruchsbescheid vorgetragenen Argumente.
Sie beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 9.10.2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Promotion sei erforderlich, um später als Hochschullehrer tätig sein zu können. Deshalb handele es sich um eine Berufsausbildung.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgeric...