Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. häusliche Krankenpflege. Rahmenvertrag. vertraglich vorausgesetzte Qualifikation einer Pflegefachkraft mit der Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung "Altenpfleger" oder "Altenpflegerin" ist eine Regelung mit Steuerungsfunktion. öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch
Leitsatz (amtlich)
1. Sieht ein Rahmenvertrag nach § 132a SGB V vor, dass die häusliche Behandlungspflege nur durch Pflegefachkräfte mit der Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung "Altenpfleger" oder "Altenpflegerin" ausgeführt werden darf, und wird gleichwohl die Leistung vertragswidrig durch Pflegepersonal ohne die erforderliche Erlaubnis erbracht, hat die Krankenkasse gegen den Leistungserbringer bei bereits gezahltem Entgelt einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch.
2. Die rechtliche Befugnis der Krankenkasse, die Zusammenarbeit mit dem Leistungserbringer von der Erfüllung bestimmter - auch formaler - Qualitätsstandards hinsichtlich der angestellten Pflegefachkräfte abhängig zu machen, leitet sich aus der gesetzlichen Verpflichtung der Krankenkasse ab, eine ausreichende und zweckmäßige Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse in der fachlich gebotenen Qualität sicherzustellen.
3. Dem Leistungserbringer steht für die unter Verstoß gegen derartige vertragliche Regelungen bewirkten Leistungen weder ein Vergütungsanspruch noch ein Wertersatzanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung noch ein Aufwendungsersatzanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag zu, selbst wenn die Leistungen im Übrigen ordnungsgemäß erbracht worden und für den Versicherten geeignet und nützlich sind. Denn die Funktionsfähigkeit des Systems der Leistungserbringung würde in Frage gestellt, wenn Vorschriften nicht eingehalten werden, die die Qualität der Leistungserbringung sichern und deren Überprüfung erleichtern sollen.
4. Bei den vertraglich festgeschriebenen formalen Qualifikationsanforderungen an die Pflegefachkräfte handelt es sich nicht um Regelungen mit bloßer Ordnungsfunktion, sondern um solche mit einer der Qualitätsgewährleistung dienenden Steuerungsfunktion. Mit der Erlaubniserteilung werden sowohl die fachliche Befähigung als auch die berufsrechtliche Würdigkeit und die gesundheitliche Eignung belegt. Außerdem wird den Anforderungen des Verwaltungsvollzugs Rechnung getragen, der nicht mit Prüfungs- und Ermittlungsaufgaben darüber belastet werden soll, ob im Einzelfall die fachliche und persönliche Eignung der Pflegefachkraft vorhanden ist.
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 25. März 2015 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 1.900,63 € festgesetzt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte die Erstattung der Vergütung in Höhe von insgesamt 1.900,63 € von der Klägerin als Betreiberin eines ambulanten privaten Alten und Krankenpflegedienstes für in der Zeit von August 2012 bis Dezember 2012 erbrachte Leistungen der Behandlungspflege fordern kann. Mit diesem Erstattungsanspruch rechnete die Beklagte gegen Vergütungsansprüche der Klägerin, die dieser unstreitig für erbrachte Leistungen der häuslichen Krankenpflege entstanden waren, auf.
Mit Wirkung zum 01.08.2009 trat der zwischen den Beteiligten für den hier streitigen Zeitraum maßgebliche Vertrag über die Versorgung mit häuslicher Krankenpflege, häuslicher Pflege und Haushaltshilfe nach § 132 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) und § 132a Abs. 2 SGB V (im Folgenden: Rahmenvertrag) in Kraft. Darin heißt es unter anderem:
"§ 1 Gegenstand des Vertrages
Dieser Vertrag regelt die Einzelheiten der Versorgung mit Leistungen für
a) häusliche Krankenpflege (Behandlungspflege, Grundpflege, hauswirtschaftliche Versorgung) gemäß § 37 Abs. 1 SGB V,
b) häusliche Krankenpflege (Behandlungspflege) gemäß § 37 Abs. 2 SGB V,
c) ....
d) ....
...
§ 10 Behandlungspflege
Behandlungspflegerische Leistungen des Pflegedienstes umfassen die Maßnahmen der ärztlichen Behandlung, die auf der Grundlage einer medizinischen Indikation im Rahmen eines individuellen Behandlungsplanes aufgrund einer ärztlichen Verordnung an Pflegedienste delegiert werden. Leistungen der Behandlungspflege müssen von Pflegefachkräften gemäß § 22 ausgeführt werden.
§ 16 Vertragsverstöße
(1) Besteht der begründete Verdacht eines Verstoßes gegen Pflichten aus diesem Vertrag, ist der Leistungserbringer schriftlich anzuhören; §§ 24, 25 SGB X finden Anwendung. Er hat dieser Anhörung innerhalb einer Frist von 21 Tagen nach Zugang des Schreibens Folge zu leisten. Der Leistungserbringer ist berechtigt, seinen Verband beteiligen.
(2) Lässt sich der Verdacht auf einen Vertragsverstoß nicht ausräumen, entscheidet der andere Vertragspartner über geeignete Maßnahmen. Diese sind insbesondere die Verwarnung, Abmahnung oder die Verhängung einer Vertragsstrafe in Geld. Bei d...