Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. keine Kostenerstattung für stationäre Liposuktionen in den Jahren 2013/2014

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für in den Jahren 2013/2014 stationär durchgeführte Liposuktionen besteht nicht, da die Liposuktion in diesem Behandlungszeitraum nicht dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprach (und - nicht zuletzt unter Berücksichtigung des Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Änderung der Richtlinie Methoden Krankenhausbehandlung vom 20.7.2017 - weiterhin nicht entspricht).

2. § 137c SGB V enthält keinen Dispens vom Qualitätsgebot in § 2 Abs 1 S 3 SGB V (Anschluss an BSG vom 24.4.2018 - B 1 KR 10/17 R = SozR 4-2500 § 137c Nr 10).

3. Ein Sachleistungs- bzw. Kostenerstattungsanspruch lässt sich auch nicht mit der Annahme einer notstandsähnlichen Situation iS von § 2 Abs 1a SGB V begründen, da die Liposuktion regelmäßig nicht einen für die Lebenserhaltung erforderlichen akuten Behandlungsbedarf erfüllt.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 28.02.2019; Aktenzeichen B 1 KR 58/18 B)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 11. März 2013 wird zurückgewiesen. Die Berufung des Klägers wird als unzulässig verworfen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger begehren die Erstattung der Kosten für in den Jahren 2013/2014 bei der Versicherten stationär durchgeführte Liposuktionen (= Absaugungen von Fettdepotansammlungen).

Die 1962 geborene (und 2017 verstorbene) Versicherte war bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sie litt unter anderem an einem schmerzhaften Lipödem Stadium III insbesondere im Bereich der Arme und Beine. Am 15.11.2011 beantragte sie unter Vorlage von Bescheinigungen des Facharztes für Chirurgie Dr. Z.... und des Facharztes für Innere Medizin X.... die Gewährung einer Liposuktion und favorisierte dabei eine Vornahme des Eingriffs am Klinikum Y.... durch Dr. Z..... Dieser gab an, die Versicherte leide an einem Lipödem Stadium III mit lymphatischer Stauung an beiden Beinen, einem Lipödem beider Arme sowie, als Folgeerkrankung, einem massiven Übergewicht (BMI 73). Sie habe seit mehr als zehn Jahren erhebliche Beschwerden und Schmerzen, welche mittlerweile selbst durch hochdosierte Analgetikagaben nicht mehr beherrschbar seien. Einziger verbleibender Therapieansatz sei nunmehr eine lymphologische Liposuktion, die auf Grund des Schweregrades der Erkrankung und der vorhandenen Begleiterkrankungen unter stationären Bedingungen mit einer mindestens einwöchigen Nachsorge in der Klinik durchzuführen sei. In einer ersten Sitzung sollten bevorzugt die Arme behandelt werden, damit die Versicherte sich wieder selbständig waschen und kämmen könne. Die Kosten hierfür beliefen sich nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) auf 4.843,65 EUR. Facharzt X.... gab an, in den letzten Jahren sei eine deutliche Progredienz des Lipödems zu verzeichnen. Die Behandlungen erfolgten nur noch im Wege des Hausbesuchs. Da stationäre Behandlungen in der Vergangenheit stets einen negativen psychologischen Effekt auf die Antragstellerin gehabt hätten, sollte jetzt, da sie einen Arzt ihres Vertrauens gefunden habe, dieser fachliche und psychologische Bonus nicht gefährdet werden.

Nachdem die Beklagte eine gutachterliche Stellungnahme nach Aktenlage von Dr. W...., Fachärztin für Innere Medizin und Ärztin im Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Sachsen, eingeholt hatte, lehnte sie mit Bescheid vom 16.01.2012 die Kostenübernahme für eine privatärztliche Behandlung durch Dr. Z.... mit der Begründung ab, die bei dem vorliegenden komplexen Krankheitsbild unzweifelhaft dringend notwendige stationäre Krankenhausbehandlung solle vordergründig wohnortnah in einer Vertragsklinik mit Fachkompetenz in den Bereichen Adipositas und Lymphödem, etwa in den Krankenhäusern U.... oder T.... durchgeführt werden. Auf den hiergegen am 30.01.2012 eingelegten Widerspruch beauftragte die Beklagte Dr. V.... mit der Erstattung eines Gutachtens nach Aktenlage und zog ergänzend einen Kurzbrief von Prof. Dr. S...., Chefarzt am Krankenhaus T...., bei. Dr. V.... führte am 06.03.2012 aus, die Versicherte leide an einer Adipositas per magna (Körpergröße 170 cm; Körpergewicht [geschätzt] 220 kg) sowie einem Lipödem Stadium III mit zahlreichen Folgeerkrankungen wie Bluthochdruck und Diabetes mellitus. Die vorgelegten Lichtbilder belegten lediglich die massive Adipositas, nicht jedoch die für ein Lipödem typischen Hämatome. Bei Lipödemen gelte in späten Stadien die Komplexe Physikalische Entstauungstherapie (KPE) mit manuellen Lymphdrainagen und Kompressionsbehandlungen als Mittel der Wahl. Die Liposuktion komme hingegen in der kosmetisch-ästhetischen Chirurgie zur Anwendung und sei nach den Leitlinien der Gesellschaft für Ästhetische Chirurgie Deutschland e.V. (GÄCD) nicht zur Behandlung von Adipositas oder gro...

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