Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Medizinisches Versorgungszentrum. keine Begrenzung von Nebenbetriebsstätten durch Vertragsarzt- und Berufsrecht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Vertragsarztrecht bestimmt nicht, dass ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) nur an höchstens zwei weiteren Orten - neben dem Vertragsarztsitz - seine Tätigkeit ausüben darf.

2. Die Regelung des § 17 Abs 2 S 1 BO der Sächsischen Landesärztekammer (entspricht § 17 Abs 2 S 1 MBO-Ä: "Ärztinnen und Ärzten ist es gestattet, über den Praxissitz hinaus an zwei weiteren Orten ärztlich tätig zu sein") gilt nicht unmittelbar für das MVZ. Sie gilt auch nicht entsprechend im Vertragsarztrecht. Diese Regelung gilt nur für den einzelnen Arzt, unabhängig davon ob er in eigener Praxis tätig oder abhängig beschäftigt ist und unabhängig davon in welchem rechtlichen Rahmen er ggf gemeinsam mit anderen Ärzten seine Tätigkeit ausübt.

 

Orientierungssatz

Eine abschließende Regelung durch das Vertragsarztrecht dürfte nicht gegen die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern verstoßen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 09.02.2011; Aktenzeichen B 6 KA 12/10 R)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 27. Januar 2009 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut über die Anträge der Klägerin auf Genehmigung von Nebenbetriebsstätten an den Standorten X Straße ... und Y Straße … in D. zu entscheiden hat.

II. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 30.000,00 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist die Genehmigung von Nebenbetriebsstätten.

Die Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, betreibt ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ). Dieses ist mit Vertragsarztsitz Z.straße …. in D. zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Nebenbetriebsstätten sind ihr für die Standorte A … in A. sowie B.straße …. in D. und waren ihr für den Standort C.straße …. in D. genehmigt.

Am 24.05.2007, 13.08.2007, 04.09.2007 und 25.10.2007 beantragte die Klägerin die Genehmigung zweier weiterer Nebenbetriebsstätten an den Standorten X Straße …. und Y Straße …… in D. sowie die Verlegung der Nebenbetriebsstätte C.straße …. in D. an den Standort F.straße … in D. . Mit Bescheid vom 07.11.2007 genehmigte die beklagte Kassenärztliche Vereinigung (KÄV) die Verlegung der Nebenbetriebsstätte und lehnte die Genehmigung weiterer Nebenbetriebsstätten ab. Den gegen die Ablehnung gerichteten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.03.2008 zurück. Entsprechend § 24 Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV), § 15a Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) in Verbindung mit § 17 Berufsordnung (BO) der Sächsischen Landesärztekammer (SLÄK) sei es dem MVZ ge-stattet, über die Betriebsstätte hinaus an zwei weiteren Orten ärztlich tätig zu sein. Zwar träfen weder die Ärzte-ZV noch der BMV-Ä konkrete Aussagen zu der Anzahl möglicher Nebenbetriebsstätten. Diese Vorgaben fänden sich jedoch in § 17 Abs. 2 BO und seien auch auf ein MVZ anzuwenden.

Die Klägerin hat am 13.03.2008 beim Sozialgericht Dresden (SG) Klage erhoben. Sie hat vorgebracht, § 17 Abs. 2 BO gelte nur für Ärzte, nicht aber für ein MVZ. Auch der ärztliche Leiter eines MVZ übe als solcher keine ärztliche Tätigkeit aus, sondern nehme ausschließlich Verwaltungsaufgaben wahr.

Das SG hat eine Auskunft der SLÄK vom 14.08.2008 eingeholt und - nach Erörterung des Rechtsstreits am 21.11.2008 - mit Gerichtsbescheid vom 27.01.2009 der Klage stattgegeben. Die Beklagte habe die beantragte Genehmigung zweier weiterer Nebenbetriebsstätten zu Unrecht abgelehnt. Das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG) vom 22.12.2006 (BGBl. I S. 3439) habe mit der Neufassung des § 24 Ärzte-ZV die durch den 107. Deutschen Ärztetag 2004 in der Musterberufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte(MBO) vorgenommene Lockerung der Bindung des Arztes an seinen Vertragsarztsitz nachvollzogen. Mit der Neufassung des § 17 Abs. 2 MBO sei es den Ärzten gestattet worden, über den Praxissitz hinaus an zwei weiteren Orten ärztlich tätig zu sein, sofern sie Vorkehrungen für eine ordnungsgemäße Versorgung ihrer Patienten an jedem Ort ihrer Tätigkeit träfen. Diese berufsrechtliche Änderung sei in § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV in der Weise umgesetzt worden, dass dem Vertragsarzt ermöglicht werde, neben der Tätigkeit an seinem Vertragsarztsitz an weiteren Orten tätig zu sein, wenn dies die Versorgung der Versicherten an den weiteren Orten verbessere und die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Vertragsarztsitz nicht gefährde; ein bestimmte Höchstzahl der weiteren Orte gebe das Vertragsarztrecht anders als die MBO nicht vor. Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung sei die von der Klägerin begehrte vertragsärztliche Tätigkeit an zwei weiteren Nebenbetriebsstätten, also mit insgesamt fünf Nebenbetriebss...

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