Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. zahnärztliche Versorgung eines Allergikers mit Goldinlays. Verstoß der Behandlungsrichtlinie gegen höherrangiges Recht
Leitsatz (amtlich)
1. Die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche zahnärztliche Versorgung verstößt gegen höherrangiges Recht, soweit ein versicherter Allergiker nach ihrem Wortlaut faktisch von der Versorgung mit Zahnfüllungen ausgeschlossen ist.
2. Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Goldinlays, soweit diese die einzige für sie in Betracht kommende zahnmedizinisch gebotene Versorgung darstellen.
Nachgehend
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 23. März 2010 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt wird, die Kosten für die zahnärztliche Versorgung der Klägerin mit Goldinlays betreffend die Zähne 17, 16, 14, 25, 27, 37, 36, 45 und 47 entsprechend dem Heil- und Kostenplan vom 8. Juni 2010 zu übernehmen.
II. Im Hinblick auf die zahnärztliche Versorgung der Klägerin mit Kronen für die Zähne 26 und 46 wird die Klage auf Freistellung von der Zahlung der Eigenbeteiligung in Höhe von 795,82 EUR abgewiesen.
III. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Rechtszüge zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten zum einen über die Frage, ob der Klägerin und Berufungsbeklagten (im Folgenden: Klägerin) ein Anspruch gegen die Beklagte und Berufungsklägerin (im Folgenden: Beklagte) auf Versorgung der Zähne 17, 16, 14, 25, 27, 37, 36, 45 und 47 mit Goldinlays zusteht und zum anderen darüber, ob die Klägerin im Hinblick auf die Überkronung der Zähne 26 und 46 einen Eigenanteil zu tragen hat.
Die 1985 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert.
Am 24.04.2008 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die zahnärztliche Versorgung mit Goldinlays. Ausweislich des Heil- und Kostenplanes vom 10.04.2008 sollte die Klägerin mit Einlagefüllungen für die Zähne 17, 16, 26, 27, 37, 36, 45, 46 und 47 versorgt werden. Mit Schreiben vom 18.04.2008 teilte der die Klägerin behandelnde Zahnarzt Dr. K… der Beklagten mit, bei der Klägerin bestehe ausweislich der Untersuchungen von Dr. W…, Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten, eine Allergie auf Quecksilber(II)-amidchlorid, außerdem eine solche auf Trithylenglykoldimethacrylat (TEGDMA), das in allen Kompositadhäsiven enthalten sei. Bei der Klägerin komme deshalb nur noch eine Versorgung mit Goldinlays in Betracht.
Mit Bescheid vom 28.07.2008 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Versorgung mit Goldinlays mit der Begründung ab, die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung (Behandlungsrichtlinie) vom 04.06.2003 in der Fassung vom 01.03.2006 (BAnz. 2006, 4466) sehe eine derartige Versorgung nicht vor. Danach seien das Legen einer Einlagefüllung, ebenso die gegebenenfalls im Zusammenhang mit der Herstellung und Eingliederung erbrachte Anästhesie oder durchgeführten besonderen Maßnahmen nicht Bestandteile der vertragszahnärztlichen Versorgung, wohl aber eine vorausgegangene Behandlung des Zahnes (B III Nr. 7 Behandlungsrichtlinie). Damit seien Inlays - mit Ausnahme der Mehrkostenregelung nach § 28 Abs. 2 Sätze 2 bis 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) - nicht kassenüblich und damit nicht erstattungsfähig.
Hiergegen legte die Klägerin bei der Beklagten am 04.08.2008 Widerspruch ein. Es müsse berücksichtigt werden, dass in ihrem Einzelfall auch eine Allergie auf TEGDMA bestehe, weshalb sie einen Zuschuss von 50 bis 75% für angemessen erachte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.09.2008 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Die Spitzenverbände der Krankenkassen sähen den Sachleistungsanspruch des Versicherten in der Füllungstherapie gewahrt. Metall- und Porzellaneinlagefüllungen (Inlays) seien keine kassenüblichen Füllungsmaterialien.
Dagegen hat die Klägerin am 21.10.2008 Klage beim Sozialgericht (SG) Leipzig erhoben.
Das SG hat zur Aufklärung des Sachverhalts in medizinischer Hinsicht zunächst ärztliche Befundberichte bei den die Klägerin behandelnden Ärzten eingeholt.
Dr. K… hat in seinem Befundbericht vom 02.03.2009 unter anderem mitgeteilt, die Zähne 26 und 46 seien überkronungsbedürftig.
Dr. W… hat in ihrem Befundbericht vom 28.04.2009 eine Kontaktallergie auf Kolophonium, Quecksilber(II)-amidchlorid, Abitol, TEGDMA und Hydrochinon diagnostiziert.
Außerdem hat das SG ein Gutachten auf zahnheilkundlichem Fachgebiet bei Prof. Dr. J… erstellen lassen. Er hat in seinem Gutachten vom 02.11.2009 nach einer Untersuchung der Klägerin am 26.10.2009 die Erforderlichkeit der im Heil- und Kostenplan vom 10.04.2008 beschriebenen Leistungen bestätigt. Bei den Zähnen 26 und 46 hat er weitere Maßnahmen für notwendig erachtet. Ferner hat er eine Restauratio...