Entscheidungsstichwort (Thema)
gesetzliche Unfallversicherung. Arbeitsunfall. Dienstreise. Fortbildungsseminar. sachlicher Zusammenhang. eigenwirtschaftliche Tätigkeit. Abendessen. geselliges Beisammensein. Freizeitgestaltung. Weg zum Hotelzimmer. besondere Betriebsgefahr. persönliche Verhältnisse des Versicherten: häuslicher Bereich. Betriebsstätte. Sturz auf steiler und nur einseitig gesicherten Wendeltreppe
Orientierungssatz
1. Ein Versicherter, der während eines mehrtägigen und auswärtigem Fortbildungsseminars nach dem Abendessen mit anschließendem geselligen Beisammensein auf dem Weg zu seinem Hotelzimmer auf einer steilen und nur an der Außenseite gesicherten Wendeltreppe mit sehr schmalen Trittstufen im Innenbereich stürzt, steht gem § 548 Abs 1 S 1 RVO unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
2. Bezüglich des Vorliegens eines besonderen Gefahrenmoments der Übernachtungsstätte während einer Dienstreise ist es nicht erforderlich, dass die Unfallgefahr von einer objektiv gefährlichen Einrichtung ausgeht. Es genügt, dass die Gefahr auf Umständen beruht, die der Versicherte im Rahmen der Betriebsreise im Gegensatz zum Verweilen an seinem Wohn- und Beschäftigungsort vorfindet, so dass der Versicherungsschutz allein dadurch begründet sein kann, dass dem Betroffenen die besonderen Eigenheiten der Übernachtungsstätte nicht vertraut sind.
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob das Unfallereignis vom 03.06.1994 einen Arbeitsunfall darstellt.
Der 1944 geborene Kläger war zum Unfallzeitpunkt als Montagemeister bei der S S GmbH beschäftigt. Am 03. und 04.06.1994 nahm der Kläger an einem von seinem Arbeitgeber veranlassten Fortbildungsseminar auf Schloss R/S teil. Am 03.06.1994 gegen 22 Uhr fiel er auf dem Weg in sein Hotelzimmer eine Wendeltreppe rückwärts herab. Er zog sich eine Fraktur des 1. Lendenwirbelkörpers zu.
Auf Veranlassung der Beklagten nahm die S S GmbH am 15.08.1994 Stellung, der Unterricht habe am 03.06.1994 bis 18.15 Uhr gedauert. Hiernach sei ein gemeinsames Abendessen organisiert gewesen. Im Anschluss daran sei auf freiwilliger Basis die Besichtigung kulturhistorisch interessanter Bauwerke des Ortes erfolgt. Der Kläger habe am Abend des Unfalls zwei bis drei Bier getrunken. Fotos der Wendeltreppe waren der Stellungnahme beigefügt.
Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 21.09.2004 die Anerkennung des Unfallereignisses vom 03.06.1994 als Arbeitsunfall und die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bestehe kein Versicherungsschutz auf Dienstreisen, wenn sich der Unfall nach Beendigung der versicherten Tätigkeit und nachfolgender 2,5-stündiger Freizeitgestaltung auf dem anschließenden Weg zur Nachtruhe ereigne. Nach Beendigung des Seminars um 18.15 Uhr seien selbst unter Berücksichtigung des anschließenden Abendessens bis zum Unfallzeitpunkt um 22 Uhr mehr als 2,5 Stunden vergangen, in denen der Kläger einer nicht versicherten Freizeitgestaltung im Sinne der freiwilligen Ortsbesichtigung bzw. dem geselligen Beisammensein nachgegangen sei. Dadurch sei eine Lösung vom Versicherungsschutz eingetreten. Der beabsichtigte Gang zum Hotelzimmer sei dem eigenwirtschaftlichen Bereich zuzurechnen. Ausnahmsweise bestehe zwar auch bei an sich unversicherten privaten Tätigkeiten Versicherungsschutz auf einer Dienstreise, wenn besondere, durch den auswärtigen Aufenthalt bedingte Gefahren, vor allem mangels Vertrautheit mit der Umgebung, rechtlich wesentlich zum Unfall beigetragen haben. Das Begehen der Wendeltreppe zum Hotelzimmer stelle jedoch keine besondere durch den auswärtigen Aufenthalt bedingte Gefahr dar. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.03.2005 zurück.
Sein Begehren hat der Kläger mit der am 25.04.2005 zum Sozialgericht Dresden (SG) erhobenen Klage weiter verfolgt. Es seien die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) anzuwenden. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG stünden Dienstreisen grundsätzlich unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Versicherungsschutz entfalle lediglich dann, wenn sich der Versicherte rein persönlichen, von der Betriebstätigkeit nicht mehr beeinflussten Belangen widme. Die Notwendigkeit, während einer Dienstreise sein Hotelzimmer zum Zwecke der Nachtruhe aufzusuchen, sei nicht der Privatsphäre des Klägers zuzurechnen, sondern ergebe sich ausschließlich aus der dienstlich veranlassten auswärtigen Unterbringung. Zudem habe sich der Unfall auf der steilen Wendeltreppe des Hotels ereignet. Eine solche sei im häuslichen Bereich des Klägers nicht vorhanden. Damit sei der Kläger einer Unfallgefahr erlegen, die aus der ungewohnten Umgebung resultiere. Dass hier offensichtlich auch die Beklagte von einer besonderen Betriebsgefahr ausgegangen sei, ergebe sich aus deren Schriftwechsel mit dem Haftpflichtversicherer des Hotelbetreibers. Auf das diesbezügliche ...