Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. GdB-Feststellung. Versorgungsmedizinische Grundsätze. psychische Störung. Unterscheidung zwischen mittelgradigen und schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten. Abgrenzungskriterien des Ärztlichen Sachverständigenbeirats Versorgungsmedizin

 

Leitsatz (amtlich)

Schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten können bei weitgehend erhaltener Integration in die Familie und erhaltener Tagesstruktur nicht bejaht werden.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 27.08.2020; Aktenzeichen B 9 SB 4/20 B)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 3. Januar 2017 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt einen höheren Grad der Behinderung (GdB) als 60.

Mit nicht streitgegenständlichem Bescheid vom 31.07.2012 stellte der Beklagte bei der 1958 geborenen Klägerin einen GdB von 40 fest aufgrund folgender Funktionseinschränkungen: seelische Störung - Einzel-GdB von 40, Besserung erwartet; Migräne - GdB von 10; Wirbelsäulenfunktionsbehinderung - GdB von 10.

Mit Schreiben vom 01.07.2014 hörte die Beklagte die Klägerin dahingehend an, ob in den Verhältnissen, die für die Feststellungen im vorgenannten Bescheid maßgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Mit Schreiben vom 08.08.2014 teilte die Klägerin mit, seit der letzten Feststellung sei bei ihr eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes eingetreten, sie stelle deshalb Antrag auf Neufeststellung. Folgende weitere Funktionsbeeinträchtigungen seien aufgetreten: ständige Stirnhöhlenentzündungen, Erkältungen, linkes Knie, Spannungskopfschmerzen, Migräne. Nach Einholung von Befundberichten nahm der ärztliche Gutachter Dr. Z am 09.02.2015 dahingehend Stellung, dass die seelische Störung unverändert mit einem Einzel-GdB von 40 zu bewerten sei, ebenso die Migräne mit 10 und die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit 10. Hinzugekommen sei eine Bewegungseinschränkung im Kniegelenk links, postthrombotisches Syndrom links mit einem Einzel-GdB von 10 und eine chronische Nebenhöhlenentzündung mit einem Einzel-GdB von 10. Hinsichtlich der seelischen Störung sei ein durchgreifender Besserungsnachweis nicht führbar, der Gesamt-GdB bleibe bei 40.

Mit Bescheid vom 13.02.2015 stellte die Beklagte fest, dass der GdB weiterhin 40 betrage. Im Widerspruchsverfahren machte die Klägerin u. a. geltend, sie leide an einer komplexen posttraumatischen Belastungsstörung, die in Verbindung mit den Persönlichkeitsstörungen sowie Folgen psychischer Traumen mit einem Einzel-GdB von 60 zu bewerten sei. Außerdem seien die gegenwärtig schwere rezidivierende Störung in Verbindung mit der affektiven Psychose und die Migräne zu berücksichtigen. Sie übersandte das unfallchirurgische Gutachten von Dr. I., die die am 27.01.2014 erlittene Knieverletzung begutachtete. Sozialmedizinisch nahm am 11.05.2015 Dr. Y Stellung. Die seelische Störung habe sich verschlimmert und sei nun mit einem Einzel-GdB von 50 ab 11.08.2014 zu bewerten. Die Klägerin sei bereits 2012 und 2013 stationär wegen rezidivierender depressiver Störungen, gegenwärtig schwer, komplexer posttraumatischer Belastungsstörung und Verdacht auf dissoziative Störung behandelt worden. 2014 sei sie erneut acht Wochen stationär aufgenommen worden. Letztlich sei trotz jährlicher stationärer Behandlung keine wirkliche Stabilisierung zu verzeichnen. Die Migräne habe sich verschlimmert und sei nun mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten, die übrigen Feststellungen seien unverändert. Die Funktionseinschränkung im Kniegelenk links sei unverändert mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten bei nicht provozierbarer Kniescheibenluxation, keinerlei Reizzustand, freier Streckung, Beugung 100 Grad.

Mit Teilabhilfebescheid vom 20.05.2015 stellte die Beklagte ab 11.08.2014 einen GdB von 50 fest. Der weitergehende Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.2015 des Kommunalen Sozialverbandes Sachsen zurückgewiesen.

Im Klageverfahren hat das Sozialgericht Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt und ein Gutachten erstellen lassen von Prof. Dr. X, Facharzt für Neurologie, Psychiatrie vom 03.09.2016. Im psychischen Befund beschreibt er sie als sofort gut kontaktfähig, stets kooperativ und situationsadäquat, gesprächig und auskunftsbereit, sie mache jede Wendung des Gesprächsinhalts sofort mit. Auffassung, Aufmerksamkeit, Konzentration, Merkfähigkeit und Gedächtnis im Verlauf der fast zweistündigen Exploration seien unauffällig gewesen, es hätten keine formalen Denkstörungen, kein Misstrauen, keine Phobien, keine Zwänge, keine inhaltlichen Denkstörungen, keine Sinnestäuschungen, keine Ich-Störungen (außer berichteten zeitweiligen Depersonalisations- und Befremdungserlebnissen vorgelegen. Sie habe deprimiert, innerlich unruhig und angespannt gewirkt, es hätten Insuffizienzgefühle und ein vermindertes Selbstwertgefühl vorgelegen, aber keine Affektarmut, keine Affektstarre...

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