Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziales Entschädigungsrecht. Havrix-Impfung gegen Hepatitis-A. akute demyelinisierende Enzephalomyelitis als mögliche Impfschädigung. ursächlicher Zusammenhang mit der Schutzimpfung. hinreichende Wahrscheinlichkeit. Antikörperreaktion auf andere Virusinfektion. mögliche alternative Ursache
Leitsatz (amtlich)
1. Die Anerkennung einer Erkrankung an ADEM als Folge einer Hepatits-A-Impfung scheidet bei differentialdiagnostisch nicht auszuschließender Zytomegalie-Virusinfektion aus, da sie nicht mehr als überwiegend wahrscheinlich angesehen werden kann.
2. Die bloße Möglichkeit einer impfbedingten Verursachung einer Erkrankung an ADEM reicht zur Anerkennung als Impfschaden nicht aus.
3. Das Vorliegen überwiegender Wahrscheinlichkeit zur Anerkennung eines Impfschadens ist notwendige Voraussetzung zur Anerkennung eines Impfschadens.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 15. Mai 2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung und Entschädigung eines Impfschadens nach einer Hepatitis-A-Impfung am 26.11.2007.
Der 1974 geborene Kläger beantragte am 18.11.2010 beim Beklagten Beschädigtenversorgung nach dem Infektionsschutzgesetz. Er habe am 26.11.2007 von seiner Hausärztin Frau Dipl.-Med. E.... eine im Freistaat Sachsen öffentlich empfohlene Hepatitis-A-Auffrischungsimpfung mit dem Impfstoff „Havrix“ erhalten. In der Folge sei er an ADEM, das heißt einer akut-entzündlichen Erkrankung des Nervensystems, erkrankt. Er leide noch immer an starken gesundheitlichen Einschränkungen (der Kläger hatte im August 1996 und im November 1997 bereits den gleichen Impfstoff verabfolgt bekommen).
Der Beklagte zog Krankenhausberichte der Y....-Klinik vom 08.01.2008 bei. Der Kläger habe über seit letztem Freitag bestehende Kopfschmerzen vom Nacken ausgehend sowie Dysthesien der Haut, Gleichgewichtsstörungen, Schwindel und nächtliches Fieber bis 39 °C geklagt. Aus dem Bericht der Abteilung für Infektions- und Tropenmedizin des Städtischen Krankenhauses in B....-Neustadt vom 22.02.2008, wo der Kläger vom 08.-09.01.2008 zunächst untersucht und betreut wurde, ergibt sich aus der Anamnese, dass der Kläger zwei Wochen zuvor einen Infekt der oberen Atemwege durchgemacht habe. Bei der Infektionsimmunologie ergaben sich erhöhte Werte für Epstein-Barr-Virus-Antikörper (EBV-VCA-IgG und EBV-EBNA1-IgG-Antikörper), nicht aber für EBV-VCA-IgM-Antikörper. Die Antikörper gegen Zytomegalie (CMV) vom IgG-Typ waren nur gering, aber vom IgM-Typ deutlich erhöht. Als Diagnosen wurden danach bei ihm eine Akute demyelisierende Enzephalomyelitis mit spinalem Schwerpunkt, klinisch maximale Symptomausprägung in Form einer Hirnstammfunktionsstörung, eine komplette Querschnittslähmung ab Segment Th7, eine neurogene Blasenentleerungsstörung, ein Zustand nach Anlegen eines suprapubischen Blasenkatheters sowie eine neurogene Mastdarmentleerungsstörung erhoben. Grundsätzlich sei sowohl ein infektgetriggerter Prozess bei im Vorfeld geschildertem Infekt der oberen Atemwege als auch ein atypischer Impfverlauf nach Hepatitis-A-Impfung (Auffrischung am 26.11.2007) denkbar. Der Beklagte zog des Weiteren den Reha-Entlassungsbericht der Klinik X.... vom 06. Mai 2008 sowie Behandlungsberichte der radiologischen Praxis W.... über ein MRT der HWS vom 20.06.2008 sowie einen MRT-Spinal-Befund vom 18.09.2009 und einen MRT-Kopf-Hals-Befund von diesem Tag, einen Befundbericht der Gemeinschaftspraxis Humangenetik, einen Befundbericht der Uniklinik V.... vom 09.09.2009, worin ein Immundefekt ausgeschlossen wurde, sowie weitere Behandlungsberichte der V.... Klinik und Poliklinik für Neurologie, Prof. U...., vom 18.09.2009 zur erektilen Dysfunktion sowie Kinderwunsch und der V.... Klinik für Urologie vom 20.03.2010 bei.
Auf Anfrage des Beklagten nahm das Paul-Ehrlich-Institut am 24.03.2011 Stellung. Entsprechend der vorliegenden Befunde bleibe es unklar, ob eine Infektion Auslöser für die ADEM gewesen sei, oder ob eine unspezifische, überschießende immunpathologische Reaktion auf die Hepatitis-A-Impfung als Ursache für die Erkrankung anzunehmen sei. Von ADEM in zeitlichem Zusammenhang mit Impfungen würde vereinzelt berichtet. Ein plausibler zeitlicher Zusammenhang liege vor, wenn die Symptomatik innerhalb von 14 Tagen nach der Impfung beginne, spätestens aber nach vier Wochen klinisch auffällig sei. Da der zeitliche Zusammenhang vorliegend eher unwahrscheinlich sei und durchaus die Möglichkeit einer koinzidenten Infektion vorgelegen haben könne, werde der ursächliche Zusammenhang zwischen der Havrix-Impfung und der ADEM-Erkrankung durch das Paul-Ehrlich-Institut als unwahrscheinlich bezeichnet.
Die Versorgungsärztin Dr. T.... lehnte in ihrer Stellungnahme vom 13.05.2011 einen plausiblen ursächlichen Zusammenhang...