Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung. Diabetes mellitus, Hypertonie, Hyperurikämie. Empfehlungen des Deutschen Vereins. rückwirkende Anwendung. Beschränkung des Streitgegenstands. Gesamtbetrachtung
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Anspruch auf Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung gemäß § 21 Abs 5 SGB 2 ist ein abgrenzbarer Teil des Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes und kann eigenständig geltend gemacht werden.
2. Die im Oktober 2008 veröffentlichten Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge zur Gewährung von Krankenkostzulage in der Sozialhilfe können auch auf das erste Halbjahr 2005 angewandt werden.
3. Hyperurikämie, Hypertonie und Diabetes mellitus Typ II und Typ I gehören zu den Erkrankungen, die diätetisch mit einer Vollkost zu behandeln sind.
4. Die Möglichkeit, den Streitgegenstand auf den abtrennbaren Anspruch auf Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung zu beschränken, bedeutet nicht, dass höhere Leistungen verlangt werden können als die, die bei einer Gesamtbetrachtung bei einem aus den Komponenten Regelleistung, Kosten der Unterkunft und Mehrbedarf zusammengesetzten Gesamtanspruch bestehen.
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 16. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung eines krankheitsbedingten Mehrbedarfs bei kostenaufwändiger Ernährung im Zeitraum zwischen dem 1. Januar und dem 30. Juni 2005.
Der 1941 geborene und an Hyperurikämie, Hypertonie und Diabetes mellitus Typ IIb erkrankte Kläger bezog bis August 2003 Arbeitslosengeld und im Anschluss daran bis Dezember 2004 Arbeitslosenhilfe in Höhe von 26,27 EUR täglich. Während des Bezuges von Arbeitslosengeld beziehungsweise Arbeitslosenhilfe gab der Kläger eine Erklärung nach § 428 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) über die Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld beziehungsweise Arbeitslosenhilfe unter erleichterten Voraussetzungen ab. Der Kläger bewohnte eine 52,23 m² große Zweiraumwohnung, für die eine Gesamtmiete in Höhe von 126,56 EUR zu bezahlen war. Bereits im September 2004 wurde er von seinem bisherigen Vermieter informiert, dass ein Eigentumswechsel stattfand. Seine Schreiben, mit denen er nach einer Bankverbindung und nach den Modalitäten der Mietzahlung nachfragte, blieben ohne Reaktion. Der Kläger überwies im streitgegenständlichen Zeitraum an die neuen Eigentümer keine Miete. In der Gesamtmiete in Höhe von 126,56 EUR waren auch die Kosten für Hausstrom enthalten. Im streitgegenständlichen Zeitraum zahlte der Kläger für Strom und Gas einen zweimonatlichen Abschlag in Höhe von 34,00 EUR (Strom 24,00 EUR, Gas 10,00 EUR). Der Kläger heizte mit einem elektrischen Radiator.
Auf seinen Antrag vom 30. November 2004 bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 7. Dezember 2004 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005 in Höhe von 568,24 EUR monatlich.
Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 15. Dezember 2004 Widerspruch ein. Diesen begründete er damit, dass er auf Grund der Vereinbarung mit der Bundesagentur für Arbeit nach § 428 SGB III einen Anspruch auf Leistungen in Höhe der bisher gewährten Arbeitslosenhilfe habe. Des Weiteren machte er die Übernahme von Heizkosten für die Benutzung seines elektrischen Radiators sowie die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung geltend.
Sein Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 9. Juni 2005 zurückgewiesen. Ein höherer Anspruch bestünde nicht. Die Beklagte legte dar, wie sich der Gesamtanspruch in Höhe von 568,24 EUR monatlich zusammensetzt, nämlich: 331,00 EUR Regelleistung, 30,68 EUR wegen des Mehrbedarfs für seine Hyperurikämie/Gicht, ein befristeter Zuschlag nach § 24 SGB II in Höhe des Höchstbetrages von 50,00 EUR nach über einjährigem Arbeitslosengeldbezug sowie Kosten für die Unterkunft und Heizung von 126,56 EUR). Die Beklagte ging im Widerspruchsbescheid noch von 12,00 EUR Stromkosten pro Monat aus. Die Stromkosten seien in Höhe von 8 % von 331,00 EUR, also mit 8,18 EUR, bereits im Regelsatz enthalten. Daher werde nur die monatliche Grundmiete von 126,56 EUR erstattet. Der Kläger erhielt für den streitgegenständlichen Zeitraum Krankengeld, das allerdings erst nach dem 30. Juni 2005 ausgezahlt wurde.
Der Kläger hat am 17. Juni 2005 Klage erhoben.
Die Beklagte hat am 16. Dezember 2005 ein Teilanerkenntnis hinsichtlich der Heizkosten in Höhe von monatlich 8,82 EUR abgegeben, welches der Kläger angenommen hat. Dieser Betrag errechne sich aus der Stromrechnung von monatlich 17,00 EUR abzüglich der Warmwasserpauschale von 8,18 EUR. Laut einem Aktenvermerk der Sachbearbeiter...