Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. überschießendes Kindergeld. Zurechnung beim kindergeldberechtigten Elternteil. keine Abkehr durch unterhaltsrechtliche Neuregelung. Bedarfsgemeinschaft. Angemessene Versicherung. Kinderunfallversicherung
Leitsatz (amtlich)
1. Aus der am 1.1.2008 in Kraft getretenen Neufassung des § 1612b BGB folgt keine Abkehr von dem Grundsatz, dass im Recht des SGB II Kindergeld, welches zur Bedarfsdeckung des Kindes nicht benötigt wird (überschießendes Kindergeld), entsprechend den Regelungen des EStG dem bezugsberechtigten Elternteil als Einkommen zuzurechnen ist.
2. Mit der Neufassung des § 1612b BGB sollte eine Harmonisierung zwischen Unterhalts- und Sozialrecht durch Anpassung der zivilrechtlichen Bestimmungen an die sozialrechtlichen Grundentscheidungen erreicht werden. Eine Abkehr von der grundsicherungsrechtlichen Zurechnung des Kindergeldes war mit der unterhaltsrechtlichen Neuregelung nicht intendiert.
Normenkette
SGB II § 11 Abs. 1 S. 5, § 7 Abs. 1, § 9; Alg-II-VO § 6 Abs. 1 Nr. 2; EStG § 62; BGB § 1612b
Tenor
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 2. Juli 2013 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der den Klägern bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum Juni bis September 2012.
Die Kläger zu 1. bis 4. bezogen als Bedarfsgemeinschaft im streitigen Zeitraum von dem Beklagten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Der 1970 geborene, im maßgeblichen Zeitraum erwerbsfähige Kläger zu 1. und die 1967 geborene erwerbsfähige Klägerin zu 2. sind miteinander verheiratet; der 1994 geborenen Kläger zu 3. ist der Sohn des Klägers zu 1., die 2010 geborene Klägerin zu 4. ist die gemeinsame Tochter der Kläger zu 1. und 2. Der gleichfalls zur Haushaltsgemeinschaft gehörende, 2001 geborene Kläger zu 5. ist der Sohn der Klägerin zu 2. Er bezog im streitigen Zeitraum keine Leistungen von dem Beklagten, da er seinen Bedarf aus eigenem Einkommen decken konnte.
Die Kläger bewohnten im maßgeblichen Zeitraum eine Mietwohnung, für die monatliche Aufwendungen in Höhe von insgesamt 455,00 € anfielen. Die Klägerin zu 2. erzielte Erwerbseinkommen aus einem Beschäftigungsverhältnis in Höhe von monatlich 91,04 € (brutto = netto). Darüber hinaus erhielt sie bis einschließlich August 2012 Elterngeld in Höhe von monatlich 150,00 €. Für die Kläger zu 3. bis 5. wurde Kindergeld gezahlt und zwar in Höhe von 184,00 € für den Kläger zu 3., in Höhe von 190,00 € für die Klägerin zu 4. und in Höhe von 215,00 € für den Kläger zu 5. Der Kläger zu 5. erhielt darüber hinaus von seinem leiblichen Vater Unterhalt in Höhe von monatlich 364,00 € und bezog Wohngeld in Höhe von monatlich 16,00 €.
Beim Kläger zu 5. ist aufgrund der Funktionsbeeinträchtigung "Taubheit rechts" ein Grad der Behinderung (GdB) von 20 festgestellt. Die Klägerin zu 2. unterhält zu seinen Gunsten eine Unfallversicherung mit garantierter Beitragsrückzahlung als Kapitalversicherung bei der A... Versicherungs-Aktiengesellschaft. Die Versicherung endet mit Erreichen des 18. Lebensjahres (oder mit dem Tod) des Kindes, dann wird der (garantierte) Rückzahlungsanspruch zzgl. einer etwaigen Gewinnbeteiligung fällig, welcher dem Versicherungsnehmer zusteht. Anspruch auf die Leistungen der Unfallversicherung hat das versicherte Kind.
Zugunsten des Klägers zu 3. und der Klägerin zu 4. unterhält die Klägerin zu 2. ebenfalls bei der A... Versicherungs-Aktiengesellschaft eine Unfallversicherung (monatlicher Beitrag für zwei versicherte Personen in Höhe von 8,71 €), wobei dieser Versicherungsschutz (ausschließlich) die Folgen von Unfällen umfasst.
Mit Bescheid vom 23.05.2012 bewilligte der Beklagte den Klägern zu 1. bis 4. Leistungen für die Monate Juni bis September 2012 und zwar in Höhe von monatlich 898,31 € für Juni bis August 2012 sowie in Höhe von 1.048,31 € für September 2012. Bedarfsseitig berücksichtigte der Beklagte hierbei neben den Regelbedarfen kopfteilig die Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) in tatsächlicher Höhe. Als Einkommen berücksichtigte der Beklagte bedarfsmindernd das bis einschließlich August 2012 an die Klägerin zu 2. gezahlte Elterngeld (monatlich 150,00 €) sowie das für die Kläger zu 3. bis 5. gezahlte Kindergeld, wobei er dieses bei dem volljährigen Kläger zu 3. um die Versicherungspauschale (30,00 €) bereinigte. Das für den Kläger zu 5. gezahlte Kindergeld brachte der Beklagte - bereinigt um die Versicherungspauschale (30,00 €) und die Aufwendungen für die Kfz-Haftpflichtversicherung (21,31 €) - als Einkommen des kindergeldberechtigten Klägers zu 1. in Abzug. Dies mit der Begründung, dass der Kläger zu 5. seinen Bedarf (insgesamt 342,00 € [251,00 € Sozialgeld + 91,00 € anteilige KdU]) durch Unterhalt (364,00 €) und...