Entscheidungsstichwort (Thema)
Gültigkeit des Bebauungsplanes. Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO ist grundsätzlich erst nach Veröffentlichung der angegriffenen Norm statthaft. Das gilt auch für Bebauungspläne, die bereits i.S.v. § 33 BauGB Planreife erlangt haben.
2. Dies Voraussetzung muß bereits zu dem Zeitpunkt vorliegen, in dem der Antrag erhoben wird. Ein späteres Inkrafttreten der Norm heilt den Mangel der Zulässigkeit nicht.
Normenkette
GG Art. 19 Abs. 4; VwGO § 47; BauGB §§ 12, 33
Tenor
Der Antrag der Antragstellerin wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
Der Streitwert wird auf 25.000,00 DM festgesetzt.
Gründe
Der Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO ist bereits unzulässig.
Er setzt nämlich wegen seines engen Zusammenhanges mit dem Hauptsacheverfahren nach § 47 Abs. 1 VwGO voraus, daß die zugehörige Normenkontrollklage zulässig ist. Daran fehlt es hier, weil der Bebauungsplan, gegen den sich die Antragstellerin wendet, noch nicht gemäß § 12 BauGB a.F. bekanntgemacht worden ist. Darüber hinaus fehlt es – soweit ersichtlich – noch an der Erfüllung der Auflagen/Maßgaben, mit denen die Genehmigungsbehörde die Genehmigung vom 30.7.1997 versehen hat.
Die Statthaftigkeit eines Normenkontrollantrages setzt voraus, daß eine kontrollfähige Vorschrift vorliegt. Das ist erst dann der Fall, wenn die Norm bereits erlassen wurde, das Normsetzungsverfahren also aus der Sicht des Normgebers bereits abgeschlossen worden ist. Rechtsvorschriften, die sich erst noch im Entstehen befinden, können dagegen nicht Gegenstand einer Normenkontrolle sein. Erforderlich ist vielmehr, daß der Inhalt der Norm unverrückbar feststeht, was regelmäßig erst mit der Verkündung der Fall ist. Eine Vorschrift kann daher nach Veröffentlichung, aber vor Inkrafttreten Gegenstand der Normenkontrolle sein (Ziekow in: Sodan/Ziekow, VwGO, § 47 RdNr. 63, Jörg Schmidt in: Eyermann, VwGO, 10. Aufl., § 47 RdNr. 12). Eine weitere Vorverlagerung in das bloße Entwurfsstadium vor der Veröffentlichung ist indes mit dem Sinn und Zweck von § 47 VwGO nicht zu vereinbaren. Die Vorschrift stellt im Interesse der Rechtssicherheit, der Einheitlichkeit der Rechtsanwendung und auch der Verfahrensökonomie ein gerichtliches Verfahren zur Verfugung, durch das über aufgetretene Zweifel an der Gültigkeit einer Rechtsvorschrift allgemeinverbindlich entschieden wird. Diese Funktion kann die Normenkontrolle nur gegenüber bereits erlassenen Normen erfüllen, denn nur diese können gemäß § 47 Abs. 5 VwGO allgemeinverbindlich für nichtig erklärt werden. Eine solche Entscheidung ist gegen eine erst im Werden begriffene Norm nicht möglich; es würde sich vielmehr um eine Art gutachterliche, nicht allgemeinverbindliche Äußerung mit dem Inhalt handeln, daß ein Normentwurf, würde er unverändert zur Norm erhoben, gegen höherrangiges Recht verstoßen würde (so bereits BVerfG, Beschl. v. 30.7.1952, BVerfGE 1, 396 [406]; BVerwG, Beschl. v. 2.6.1992, UPR 1992, 347; Beschl. v. 29.7.1977, BVerwGE 54, 211).
Etwas anderes gilt auch nicht für Bebauungspläne.
Soweit dies im Hinblick darauf erwogen wird, zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes könnte ein Antrag entsprechend § 47 Abs. 6 VwGO zulässig sein, weil ansonsten – wie möglicherweise hier – die vorzeitige Herstellung der Erschließungsanlagen und damit die Schaffung vollendeter Tatsachen drohe, ist dem für die Geltung von § 125 BauGB a.F. entgegenzuhalten, daß insoweit (vorläufiger) Rechtsschutz gegen die Zustimmung nach § 125 Abs. 2 BauGB a.F. gesucht werden kann und muß; eine Rechtsschutzlücke entsteht deshalb im Hinblick auf die Herstellung von Erschließungsanlagen nicht (OVG Schl.-H., Beschl. v. 29.3.1994, NVwZ 1994, 916). Letzteres gilt um so mehr unter der Geltung von § 125 Abs. 1 BauGB i.d.F. des BauROG vom 18.8.1997 (BGBl. I S. 2081), so daß offen bleiben kann, ob die Vorschrift im vorliegenden Fall bereits Anwendung findet. Da nunmehr die Herstellung der Erschließungsanlagen ohne Vorliegen eines Bebauungsplanes dann zulässig ist, wenn die materiellen Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 bis 6 BauGB gegeben sind, kann ein Betroffener gegebenenfalls gegen die Durchführung der Straßenbauarbeiten mit der Unterlassungsklage vorgehen.
Bebauungspläne sind weiter auch nicht im Hinblick auf § 33 BauGB bereits bei vorliegender sogenannter Planreife als normenkontrollfähig anzusehen (so aber Jäde, BayVBl. 1985, 225; BayVBl. 1986, 499; dazu neigend auch OVG Schl.-H., Beschl. v. 29.3.1994, NVwZ 1994, 916 [917]). Eine analoge oder erweiternde Auslegung von § 47 auf Bebauungspläne, die das Stadium der sogenannten Planreife erreicht haben, kommt nicht in Betracht. Der Gegenauffassung ist allerdings zuzugeben, daß die Möglichkeit der Normenkontrolle gegen einen Bebauungsplan unter Umständen leerlaufen kann. Werden nämlich vor Inkrafttreten in großer Zahl Genehmigungen nach § 33 BauGB erteilt, kann einer Normenkontrollklage nach Inkrafttreten des Bebauungsplanes bereits das Rechtsschutzbedürfnis f...