Entscheidungsstichwort (Thema)
Besetzung von fünf Stellen einer Vorsitzenden Richterin am Landgericht/eines Vorsitzenden Richters am Landgericht (R 2) beim Landgericht Dresden (Antrag nach § 123 VwG). Konkurrentenstreitverfahren. Auswahlentscheidung. Leistungskriterium. Begriffliche Klarheit. Verwendungsbreite. Beschwerde
Leitsatz (amtlich)
1. Die Verwendungsbreite, die sich bei Bewerbern um ein Beförderungsamt in der ordentlichen Gerichtsbarkeit in der Ausübung einer Mehrzahl von Funktionen, der Verwendung in unterschiedlichen Dienststellen und/oder auf verschiedenen Rechtsgebieten zeigen kann, zählt zu den leistungsbezogenen Kriterien, die der Dienstherr bei der Auswahl nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung berücksichtigen darf.
2. Bei einem Auswahlkriterium, dessen Bedeutung weder gesetzlich bestimmt noch – über einen gewissen Mindestinhalt hinaus – im allgemeinen Sprachgebrauch eindeutig definiert ist, kann sich der Dienstherr bei der ihm überlassenen näheren Begriffsbestimmung innerhalb der rechtlichen Grenzen, die durch den Leistungsgrundsatz und das Willkürverbot gezogen sind, frei bewegen. Unter dem Aspekt der Nachvollziehbarkeit ergeben sich jedoch zusätzliche Anforderungen an die begriffliche Konkretisierung, wenn mehrere Bewerber über die Mindestvoraussetzungen in jeweils unterschiedlicher Weise verfügen. Der Dienstherr muss dann Zwischenkriterien transparent machen, nach denen er die Bewerber vergleicht.
3. Haben alle Bewerber mehrere Funktionen ausgeübt, kann der Dienstherr die Verwendungsbreite von Bewerbern, die bislang nur auf dem Gebiet des Zivil- oder des Strafrechts tätig waren, bereits aus diesem Grund als eingeschränkt ansehen oder erst dann, wenn sie bestimmte kompensatorische Anforderungen nicht erfüllen. Diese kompensatorischen Anforderungen müssen klar bestimmt werden. Der Vergleich mit Bewerbern, die in beiden Rechtsgebieten und in mehreren Funktionen tätig waren, hängt dann von der weiteren Festlegung ab, ob diese Bewerber unter dem Aspekt der Verwendungsbreite generell oder nur unter bestimmten Bedingungen und ggf. unter welchen, solchen Bewerbern vorzuziehen sind, die ihren bislang erfolgten Einsatz in nur einem Rechtsgebiet nach den zuvor bestimmten Kriterien kompensiert haben.
4. Maßgeblich für die Beurteilung der Verwendungsbreite ist der Zeitraum ab Ernennung auf Lebenszeit.
Normenkette
GG Art. 33 Abs. 2; SächsVerf Art. 91 Abs. 2
Verfahrensgang
VG Dresden (Beschluss vom 26.01.2005; Aktenzeichen 11 K 2319/04) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Dresden vom 26.1.2005 – 11 K 2319/04 – geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, eine Planstelle eines Vorsitzenden Richters am Landgericht beim Landgericht Dresden bis zur bestands- oder rechtskräftigen Entscheidung über seinen Widerspruch gegen die Ablehnung seiner Bewerbung oder bis zu einer erneuten Auswahlentscheidung zwischen dem Antragsteller und den Beigeladenen zu 2) bis 5) freizuhalten. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen, werden dem Antragsgegner 4/5 und dem Antragsteller 1/5 der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen auferlegt.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 17.887,45 EUR festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Beschwerde ist überwiegend begründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Unrecht abgelehnt, soweit er die Entscheidung des Antragsgegners betrifft, vier der fünf ausgeschriebenen Stellen eines Vorsitzenden Richters am Landgericht beim Landgericht Dresden vorrangig mit den Beigeladenen zu 2) bis 5) zu besetzen. Hinsichtlich der Beigeladenen zu 1) bleibt die Beschwerde ohne Erfolg. Zur Sicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Antragstellers ist die aus dem Tenor ersichtliche einstweilige Anordnung ausreichend.
Der Antragsteller beanstandet zu Recht die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Antragsgegner habe in dem Besetzungsvorschlag vom 12.8.2004 zu erkennen gegeben, dass er die Beigeladenen zu 1), 2), 3) und 5) bereits deshalb ausgewählt habe, weil sie im Gegensatz zu ihm Versetzungsbewerber seien. Die in dem angegriffenen Beschluss nicht näher begründete Einschätzung, dass die weiteren Auswahlüberlegungen des Antragsgegners von ergänzender, nicht aber (mit-)tragender Bedeutung seien, steht im Widerspruch zu der ausführlichen Antragserwiderung des Antragsgegners vom 6.10.2004. Dort werden zunächst die Anlassbeurteilungen sowie die aktuellen und früheren Regelbeurteilungen der Bewerber verglichen und dabei kein Leistungsvorsprung des Antragstellers festgestellt. Sodann wird ausgeführt, dass die Beigeladenen zu 1), 2), 3) und 5) vorzuziehen seien, „da sie sich – mit teilweise gleichen Gesamturteilen in der aktuellen Regelbeurteilung – bereits aus einem Beförderungsamt bewerben und insgesamt über die vielfältigeren Erfahrungen im Beförderungsamt verfügen”. Der ...