Entscheidungsstichwort (Thema)
Erziehungshilfe. Kostenerstattung. Geschäftsführung ohne Auftrag. freier Träger der Kinder- und Jugendhilfe. öffentlich-rechtliche Geschäftsführung ohne Auftrag. Kostenerstattung für freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe
Leitsatz (amtlich)
1. Eine rechtswidrige Anordnung nach § 1632 Abs. 4 BGB, mit der ein freier Träger der Kinder- und Jugendhilfe zur Fortführung von Maßnahmen nach § 27, § 34 SGB VIII (KJHG) verpflichtet wird, kann einen Anspruch gegen den öffentlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe aus öffentlich-rechtlicher Geschäftsführung ohne Auftrag begründen.
2. Die Höhe des Anspruchs richtet sich nach dem üblichen Entgelt.
Normenkette
BGB § 1632 Abs. 4; SGB VIII §§ 27, 34, 77, 78b
Verfahrensgang
VG Dresden (Urteil vom 24.07.2003; Aktenzeichen 6 K 294/99) |
Nachgehend
Tenor
Das Berufungsverfahren wird eingestellt, soweit der Kläger seine Berufung zurückgenommen hat.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 24. Juli 2003 – 6 K 294/99 – wird abgeändert.
Der Beklagte wird verpflichtet, an den Kläger 33.034,40 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 4. Juni 1999 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen zu 38 %, der Beklagte zu 62 %.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Versagung einer Kostenerstattung durch den Beklagten für die zwischen April bzw. August 1998 und März 1999 bei ihm erfolgte Unterbringung der J. H. sowie K., S. und S. U., die damals noch Kinder bzw. Jugendliche waren. J. H. ist die Halbschwester der drei übrigen Geschwister.
Der klagende Verein betreibt seit Mitte der 90er Jahre in Frankfurt/Oder ein Kinderhaus mit sechs Plätzen „Kleinstheim mit innewohnenden Erziehern”), bis Mitte 1998 in Form einer gemeinnützigen GmbH. Er erbringt Leistungen nach § 34 des Sozialgesetzbuches 8 (KJHG) – SGB VIII –. Hierfür erhielt er regelmäßig Erlaubnisse für den Betrieb der Einrichtung gemäß § 45 SBG VIII, zuletzt mit Bescheiden des Landesjugendamtes des Landes Brandenburg vom 18.5.1998 und vom 8.12.1998.
Die damals allein sorgeberechtigte Mutter der vier Kinder und Jugendlichen erhielt seit 1996 vom Beklagten Hilfe zur Erziehung nach § 27, § 34 KJHG, die ihr ab dem 30.9.1996 in der Weise gewährt wurde, dass ihre vier Kinder in der Einrichtung des Klägers untergebracht wurden. J. H. hielt sich zeitweise auch in einer anderen Einrichtung desselben Trägers in Berlin auf.
Mit Bescheid vom 17.4.1998 stellte der Beklagte die Hilfe für J. H. zum 8.4.1998 ein, nachdem diese sich der Hilfe widersetzt und entzogen hatte. Sie hielt sich im ersten Halbjahr 1998 an verschiedenen Orten, darunter bei einer Tante und auch bei ihrer Mutter, auf.
Mit Schreiben vom 30.4.1998 beantragte die Kindesmutter beim Beklagten eine Entlassung der anderen drei Kinder und Jugendlichen aus der Einrichtung des Klägers nach Hause. Der Beklagte kam nach einer Überprüfung zu dem Ergebnis, dass eine Rückführung der drei Jugendlichen zur Mutter dem Kindeswohl entspreche und teilte dies dem Kläger mit Schreiben vom 19.5.1998 mit der Maßgabe mit, geeignete Wiedereingliederungsmaßnahmen vorzubereiten. Seitens des Klägers wurden Bedenken hiergegen erhoben. Nachdem der Beklagte gleichwohl an seiner Absicht festhielt, die Rückführung zum 28.8.1998 zu veranlassen und zum 1.8.1998 alle Zahlungen an den Kläger eingestellt hatte, regte dieser ebenfalls am 28.8.1998 beim Amtsgericht – Familiengericht – Frankfurt/Oder unter Bezugnahme auf § 1632 Abs. 4 BGB den Erlass einer Anordnung zum vorläufigen Verbleib der Kinder in seiner Einrichtung an. Mit Bescheid vom 25.8.1998 stellte der Beklagte zudem die Hilfe für die drei verbliebenen Jugendlichen zum 20.8.1998 ein.
Mit Beschluss vom 27.8.1998 – 3.2 F 350/98 – ordnete das Amtsgericht – Familiengericht – Frankfurt/Oder unter Bezugnahme auf § 1632 Abs. 4 BGB den vorläufigen Verbleib der drei Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung des Klägers an und hielt diese Anordnung auch mit einem weiteren Beschluss vom 11.9.1998 aufrecht. Gegen diese Anordnung legten sowohl die Kindesmutter als auch der Beklagte Rechtsmittel ein.
Unter dem 2.10.1998 legte der Kläger Widerspruch gegen die Einstellung der Hilfen zur Erziehung der drei Kinder und Jugendlichen K., S. und S. ein. Am 12.10.1998 beantragte der Kläger zudem beim Verwaltungsgericht Frankfurt/Oder den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der Verpflichtung des Beklagten, ihm bis zum Abschluss des Verfahrens über die Hilfeneinstellung die Pflegekosten wie bisher zu zahlen.
Mit Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 12.2.1999 – 10 WF 144/98 – wurde die vorläufige Verbleibensanordnung des Amtsgerichts – Familiengericht – Frankfurt/Oder vom 27.8.1998 mit der Begründung aufgehoben, dass ein Anwendungsfall nach § 1632 Abs. 4 BGB nicht gegeben sei.
Nachdem sich die Beteiligten insoweit außergerichtlich verglichen und den zwischenzeitlich...