Entscheidungsstichwort (Thema)

Abwasserzweckverband. Verbandsgründung. Nichtigkeit. Bestandskraft. Klagänderung. Abwasserbeitrag

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein unwirksam gegründeter Abwasserzweckverband kann der Bestandskraft fähige Verwaltungsakte erlassen.

2. Auch im Fall einer endgültig fehlgeschlagenen Zweckverbandsgründung endet die Wirksamkeit bereits erlassener Beitragsbescheide nicht.

 

Normenkette

BRAO § 43 Abs. 4; SächsKAG § 3 Abs. 1 Nr. 3b; AO §§ 118, 124-125; VwGO § 91

 

Verfahrensgang

VG Dresden (Urteil vom 05.07.2000; Aktenzeichen 14 K 3910/99)

 

Nachgehend

BVerwG (Beschluss vom 16.04.2003; Aktenzeichen 9 B 81.02)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden vom 5. Juli 2000 – 14 K 3910/99 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, trägt der Kläger.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger ist Eigentümer des Flst. … der Gemarkung … und begehrt die Feststellung der Nichtigkeit eines Abwasserbeitragsbescheides des Beklagten.

Mit Bescheid vom 16.10.1998 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger für das Flst. … einen Abwasserwasserbeitrag i.H.v. 6.344,10 DM fest. Der Briefkopf des Bescheides lautet:

„Trinkwasser- und Abwasserzweckverband … vertreten durch die Versorgungsbetriebe … GmbH”. Der mittels automatischer Einrichtungen erstellte Bescheid trägt am Ende anstelle einer Unterschrift die abschließende Angabe: „Trinkwasser- und Abwasserzweckverband …”.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 11.11.1998 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.2.1999 zurückwies. Dieser Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger ausweislich Postzustellungsurkunde am 20.2.1999 zugestellt.

Am 21.12.1999 erhob der Kläger Klage bei dem Verwaltungsgericht Dresden. Zu ihrer Begründung führte er im Wesentlichen aus: Der Bescheid sei nichtig, da der Beklagte mangels wirksamer Verbandsgründung keine hoheitliche Befugnis zum Erlass von Abgabensatzungen und Abgabenbescheiden habe. Für den Fall einer wirksamen Gründung sei der Bescheid ebenfalls nichtig, da er von einer privaten GmbH erlassen worden sei.

Mit Normenkontrollurteil vom 15.2.2000 – 2 D 137/99 – stellte das Sächsische Oberverwaltungsgericht fest, dass die Beitragssatzung des Beklagten infolge unwirksamer Zweckverbandsgründung nichtig sei.

Der Beklagte vertrat daraufhin vor dem Verwaltungsgericht die Auffassung, der angefochtene Beitragsbescheid sei dessen ungeachtet nicht nichtig. Er sei auch nicht von einer privaten GmbH, sondern durch den Beklagten, vertreten durch eine GmbH, erlassen worden. Der Beklagte habe auch für den Fall seiner unwirksamen Gründung als Behörde i.S.v. § 6 Abs. 1 AbgabenordnungAO – bzw. § 1 Abs. 4 VerwaltungsverfahrensgesetzVwVfG – gehandelt. Entscheidend sei insoweit, dass er Aufgaben wahrgenommen habe, die funktionell der öffentlichen Verwaltung zuzurechnen seien. Als Behörde habe er Verwaltungsakte erlassen können. Diese seien auch nicht nichtig i.S.v. § 125 Abs. 1 AO bzw. § 44 Abs. 1 VwVfG, da die Gründungsmängel weder besonders schwerwiegend noch offenkundig gewesen seien.

Mit Urteil vom 5.7.2000 wies das Verwaltungsgericht Dresden die Klage ab. Zur Begründung vertrat es die Auffassung, der Beklagte sei trotz seiner unwirksamen Gründung als teilrechtsfähiger fehlerhafter Zweckverband – sog. Abwicklungszweckverband – richtiger Beklagter. Er habe den angefochtenen Bescheid erlassen, so dass die Klage auf jeden Fall gegen ihn zu richten sei. Die fehlerhafte Bestimmung des Umlagemaßstabes in der Zweckverbandssatzung habe u.a. zur Feststellung der Nichtigkeit der Beitragssatzung durch das Normenkontrollurteil des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 15.2.2000 geführt. Der Beklagte sei nicht als Zweckverband mit umfassenden hoheitlichen Befugnissen entstanden. Die Gründungsmängel seien auch nicht nachträglich geheilt worden. In Ermangelung einer wirksamen Gründung gehe deren Genehmigung durch die Rechtsaufsichtsbehörde vom 6.5.1993 ins Leere. Es handele sich bei der fehlerhaften Bestimmung des Umlagemaßstabes auch nicht um einen bloßen Form- und Verfahrensfehler, so dass auch Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Ordnung der Rechtsverhältnisse der Verwaltungsverbände, Verwaltungsgemeinschaften und Zweckverbände im Freistaat Sachsen vom 15.1.1998 (SächsGVBl. S. 2) nicht eingreife.

Die uneingeschränkte Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte Gesellschaft auf die privatrechtliche Tätigkeit öffentlich-rechtlicher Zweckverbände auch für den Zeitpunkt vor ihrer Entstehung unterläge grundsätzlich keinen Bedenken. Die Anwendung dieser Grundsätze auf die öffentlich-rechtliche und hoheitliche Tätigkeit eines unwirksam gegründeten Zweckverbandes sei allerdings nur mit Einschränkungen möglich. Dies folge aus dem insbesondere für die Eingriffsverwaltung geltenden Vorbehalt des Gesetzes und dem hieraus abgeleiteten institutionellen Gesetzesvorbehalt. Der Beklagte könne aber als teilrechtsfähiger „Abwicklung...

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