Rz. 18
Generell gilt, dass eine Anrechnung von Elterneinkommen (oder Einkommen eines Elternteils) während einer Berufsausbildung nur dann erfolgen darf, wenn der behinderte Mensch während der besonderen Leistung (§ 117) mit Anspruch auf Ausbildungsgeld dort tatsächlich lebt (vgl. BSG, Urteil v. 18.5.2010, B 7 AL 36/08 R, und Urteile v. 14.5.2014, B 11 AL 3/13R, B 11 AL 20/13 R). Wenn die behinderte Person eine eigene Wohnung hat, scheidet eine Einkommensanrechnung der Eltern (oder des Elternteils) gänzlich aus. Es kommt also auf die häusliche Gemeinschaft an (vgl. Komm. zu § 123). Diese besteht auch dann nicht, wenn die behinderte Person nur während der Berufsausbildung in einem Internat (z. B. Berufsbildungswerk) untergebracht ist, seinen melderechtlichen Hauptwohnsitz bei den Eltern (oder bei einem Elternteil) aber aufrechterhält.
Folglich ist eine Einkommensanrechnung der Eltern oder eines Elternteils nur beim Ausbildungsgeld nach § 123 Nr. 1 zu prüfen, weil für das Ausbildungsgeld bei Berufsausbildung nach § 123 Nr. 2 und Nr. 3 eine anderweitige Unterbringung gegeben ist. Zur Definition von Eltern oder Elternteil wird auf die Kommentierung zu § 123 Nr. 1 verwiesen.
Rz. 19
Der Zweck der Einkommensanrechnung ist, dass die Unterhaltspflicht der Eltern/eines Elternteils der staatlichen Förderung mit Ausbildungsgeld vorgeht. § 126 Abs. 2 Nr. 2 enthält eine abschließende Regelung der Einkommensanrechnung, die sich auf alle positiven Einkünfte von Eltern oder einem Elternteil (vgl. zum Einkommensbegriff Rz. 10 ff.; § 122 Abs. 2 i. V. m. § 67 Abs. 2 i. V. m. § 21 BAföG) erstreckt.
Rz. 20
Den Eltern bzw. dem Elternteil wird beim Ausbildungsgeld vom Gesetzgeber ein höherer Freibetrag zugestanden. Die Regelungen der Berufsausbildungsbeihilfe nach § 122 Abs. 2 i. V. m. § 67 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 25 Abs. 1 BAföG greifen daher nicht, stattdessen sind bei Eltern ab dem 1.8.2022 ein Betrag bis zu 4.392,00 EUR monatlich anrechnungsfrei. Freibeträge aus den Vorjahren:
- 1.8.2019 bis 31.7.2020: 3.331,00 EUR
- 1.8.2020 bis 31.7.2021: 3.431,00 EUR
- 1.8.2021 bis 31.7.2022: 3.637,00 EUR
Beim verwitweten Elternteil ist dies für die Zeit ab 1.8.2022 ein Betrag von 2.736,00 EUR. Freibeträge aus den Vorjahren:
- 1.8.2019 bis 31.7.2020: 2.076,00 EUR
- 1.8.2020 bis 31.7.2021: 2.138,00 EUR
- 1.8.2021 bis 31.7.2022: 2.266,00 EUR
Eine besondere Regelung enthält Nr. 2 für die Einkommensberücksichtigung bei getrennt lebenden Eltern. Die Anrechnung der positiven Einkünfte ist nur von dem Elternteil möglich, bei dem die behinderte Person lebt. Einkünfte des anderen getrennt lebenden Elternteils werden folglich nicht herangezogen. Dies hat folgende Bewandtnis: Einkünfte des anderen Elternteils werden ggf. im Rahmen der Unterhaltspflicht durch Unterhaltsleistungen an den Menschen mit Behinderungen bereits im Rahmen des § 126 Abs. 2 Nr. 1 berücksichtigt und ggf. angerechnet.
Rz. 21
Folgende Besonderheiten sind bei der Verweisung von § 122 Abs. 2 i. V. m. § 67 zu beachten:
- Die Regelung des § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 HS 2 findet keine Anwendung, weil in § 126 Abs. 2 Nr. 2 "im Übrigen" eine besondere Regelung geschaffen wurde. Zudem ist der dort geregelte Sachverhalt beim Ausbildungsgeld nicht relevant ("Ausbildungsstätte von der Wohnung der Eltern oder eines Elternteils aus nicht in angemessener Zeit erreicht").
- § 67 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 25 Abs. 3 BAföG regelt (erhöhte) Elternfreibeträge für weitere Kinder und sonstige Unterhaltsberechtigte. Diese Regelung stellt keine Abweichung, sondern eine Ergänzung zur Regelung des § 126 Abs. 2 Nr. 2 dar und ist anzuwenden.
- § 67 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 25 Abs. 4, 5 BAföG regelt die Anrechnungsfreiheit des übersteigenden Einkommens der Eltern/des Elternteils und wird durch die pauschalierten Freibeträge des § 126 Abs. 2 Nr. 2 ersetzt.
- § 67 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 25 Abs. 6 BAföG enthält für weitere Teile von anrechnungsfreiem Einkommen eine Sonderregelung zur Vermeidung unbilliger Härten in begründenden Einzelfällen. Diese ist nicht anzuwenden, die pauschalierten Freibeträge sind abschließend.
- § 67 Abs. 5 findet Anwendung (unbekannter Aufenthaltsort, tatsächliche Unmöglichkeit der Unterhaltserbringung, Unterhaltsanspruch verwirkt).
- Maßgeblich sind stets die Einkommensverhältnisse im vorletzten Kalenderjahr vor Beginn des Bewilligungszeitraums nach § 67 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 24 Abs. 1 BAföG.