0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt v. 20.12.2011 (BGBl. I S. 2854) mit Wirkung zum 1.4.2012 von § 121 nach § 140 überführt.
§ 121 Abs. 4 Satz 2 wurde mit Wirkung zum 1.8.1999 geändert durch das 2. SGB III-ÄndG v. 21.7.1999 (BGBl. I S. 1648). Mit dem Ersten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt v. 23.12.2002 (BGBl. I S. 4607) wurde § 121 Abs. 4 um die Sätze 4 bis 7 zum 1.1.2003 ergänzt.
Die Vorschrift wurde mit Wirkung zum 1.4.2012 als § 140 neu gefasst und dabei zugleich geschlechtsneutral ausformuliert.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift grenzt die Zumutbarkeit von Beschäftigungen für den Arbeitslosen ab. Die Regelungen beziehen sich allein auf die Arbeitslosenversicherung. Die Zumutbarkeit von Erwerbstätigkeit im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende regelt nicht § 140, sondern § 10 SGB II. Für sog. Aufstocker, die neben dem Alg auch Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II ergänzend beziehen, damit ihr Existenzminimum gedeckt ist, gibt es keinen Anspruch auf ein Vermittlungsverbot für das Jobcenter in Umsetzung des SGB II, solange ein Anspruch auf Alg besteht. Es ergibt sich auch aus § 22 kein Vorrang der Bundesagentur für Arbeit, vielmehr liegt eine Doppelzuständigkeit vor, bei der die Träger nach den unterschiedlichen Vorschriften zu handeln haben. Die unterschiedlichen Regelungen über die Zumutbarkeit von Beschäftigungen steht der Doppelzuständigkeit nicht entgegen und stellt auch keinen Verstoß gegen Art. 3 GG dar (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 8.3.2012, L 7 AS 2177/11 B).
Abs. 1 stellt klar, dass der Arbeitslose grundsätzlich jede Beschäftigung annehmen und ausüben muss, die seiner Arbeitsfähigkeit entsprechen. Gründe, die der Zumutbarkeit widersprechen, werden in allgemeine und personenbezogene Gründe systematisiert. Abs. 5 grenzt dazu Unzumutbarkeit negativ ab. Die Vorschrift stellt klar, worauf sich Arbeitslose von vornherein nicht berufen können. Damit formuliert der Gesetzgeber einen allgemeinen Rahmen, mit dem das Risiko der Arbeitslosenversicherung abgesteckt wird.
Abs. 2 regelt die Unzumutbarkeit aus im Wesentlichen rechtlichen Gründen. Einem Arbeitnehmer ist es nicht zumutbar, Beschäftigungen aufzunehmen, die gegen festgelegte Bestimmungen über Arbeitsbedingungen oder gegen Bestimmungen des Arbeitsschutzes verstoßen. Es werden nicht nur gesetzliche, sondern auch tarifliche oder in Betriebsvereinbarungen festgelegte Bestimmungen einbezogen. Damit wird durch Gesetz klargestellt, dass das persönliche Schicksal der Arbeitslosigkeit nicht dazu genutzt werden soll, Arbeitsbedingungen und Arbeitsschutzvorschriften zu umgehen, die ansonsten überall, im Tarifgebiet oder jedenfalls im Betrieb allgemein gelten.
Abs. 3 und 4 regeln beispielhaft personenbezogene Gründe, aus denen Beschäftigungen unzumutbar sind. Abs. 3 stellt auf das Arbeitsentgelt der erreichbaren Beschäftigung ab; Abs. 4 auf Pendelzeiten bzw. einen ggf. erforderlichen Umzug.
Vergleichsgröße für das zumutbare Arbeitsentgelt einer zukünftig in Betracht kommenden Beschäftigung ist das der Bemessung des Alg zugrunde gelegte Arbeitsentgelt. Dieses repräsentiert ein Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose zuletzt durchschnittlich erzielt hat. Die Arbeitslosenversicherung garantiert für die Zukunft ein solches Entgelt nicht. Der Gesetzgeber geht vielmehr davon aus, dass mit zunehmendem zeitlichem Abstand das Risiko der Arbeitslosenversicherung wächst. Deshalb ist es dem Arbeitslosen zumutbar, sofort auch Beschäftigungen mit einem bis zu 20 % niedrigeren Arbeitsentgelt und nach 3 Monaten Arbeitslosigkeit mit einem bis zu 30 % niedrigeren Arbeitsentgelt gegenüber dem der Bemessung des Alg zugrunde gelegten Entgelt aufzunehmen. Nach einem halben Jahr muss sich der Arbeitslose im Grundsatz mit einem Nettolohn zufriedengeben, der nach Abzug der mit der Beschäftigung zusammenhängenden Aufwendungen dem Alg entspricht. Damit stellt der Gesetzgeber heraus, dass er die Höhe des Arbeitsentgelts als entscheidenden Faktor dafür ansieht, ob es gelingen kann, den Arbeitslosen wieder in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Dem steht jeglicher Bestandschutz entgegen.
Abs. 4 regelt einerseits die Pendelzeiten, die einem Arbeitslosen je Arbeitstag zumutbar sind. Bei Beschäftigungen mit einer Arbeitszeit von bis zu 6 Stunden Dauer sind das 2 Stunden, bei einer Arbeitszeit von mehr als 6 Stunden Dauer sind das 2,5 Stunden. Abs. 4 Satz 3 bestimmt, dass der Arbeitslose auch längere Pendelzeiten hinnehmen muss, wenn diese in der Region unter vergleichbaren Arbeitnehmern üblich sind. Das kann insbesondere ländliche Regionen betreffen. Längere Pendelzeiten sieht der Gesetzgeber als unzumutbar an. Damit wird eine angebotene konkrete Beschäftigung jedoch nicht unzumutbar, weil sich in diesen Fällen die Frage stellt, ob es dem Arbeitslosen zumutbar ist, an den neuen Beschäftigungsort umzuziehen. Das ist in der Regel der Fall. Nur für die ersten 3 Monate der Arbeitslosigkeit ist eine ...