Rz. 19
Ein nach der Arbeitslosmeldung geschlossener arbeitsgerichtlicher Vergleich, durch den das Arbeitsverhältnis unter Verzicht auf das Direktionsrecht des Arbeitgebers verlängert werden soll, ist nicht dazu geeignet, die zuvor festgestellte Dauer des Anspruchs auf Alg zu verlängern. Die Anspruchsdauer war zum Zeitpunkt der Erfüllung aller Anspruchsvoraussetzungen zu berechnen und festzustellen (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil v. 27.9.2011, L 11 AL 47/08). § 127 enthält auch keine Rechtsgrundlage dafür, nach Abs. 4 vorzugehen und die Anspruchsdauer erneut festzusetzen.
Rz. 19a
Die nach Abs. 2 oder Abs. 3 ermittelte Anspruchdauer muss nicht endgültig sein. Abs. 4 ermöglicht die Hinzurechnung einer früheren, noch nicht durch Erfüllung verbrauchten Anspruchsdauer auf Alg. Das setzt voraus, dass seit der Entstehung des Anspruchs auf Alg, aus dem die Restanspruchsdauer verblieben ist, noch nicht 5 Jahre verstrichen sind. Die Frist ist eine Ausschlussfrist und läuft ohne Hemmung oder Unterbrechung ab.
Rz. 20
Die Frist von 5 Jahren ist aus der Höchstanspruchsdauer von 24 Monaten für mindestens 58 Jahre alte Arbeitnehmer abgeleitet, für die Versicherungspflichtzeiten von 48 Monaten erforderlich sind. Die Höchstanspruchsdauer sollen nicht nur Arbeitnehmer erwerben können, die in den letzten 4 Jahren durchgehend versicherungspflichtig zur Arbeitsförderung waren, sondern auch ihnen soll ein Zeitrahmen eröffnet werden, innerhalb dessen die notwendigen Versicherungspflichtzeiten zurückgelegt worden sein müssen. Die Frist beginnt am Tag nach der Entstehung des Anspruchs (§ 187 Abs. 1 BGB). Letzter Tag der Frist ist der Tag mit gleichem Tages- und Monatsdatum 5 Jahre später. Der Fristbeginn ändert sich nicht dadurch, dass der Anspruch (zunächst) geruht hat. Weil dies im Schrifttum jedenfalls in der Vergangenheit kritisiert worden ist, muss darauf hingewiesen werden, dass die Fristberechnung nicht davon abhängig gemacht werden kann, aus welchem Grund der Anspruch geruht hat und ob dies mit einer Minderung der Anspruchsdauer nach § 148 verbunden war. Die Frist muss vor dem Hintergrund gesehen werden, im Sinne der Verwaltungspraktikabilität den Rückgriff auf die Restanspruchsdauer zeitlich zu begrenzen. Die Agentur für Arbeit hat Abs. 4 von Amts wegen zu beachten, was ihr z. B. die Vernichtung von Leistungsunterlagen nach einem bestimmten Zeitablauf erschwert. Angesichts der fortschreitenden Möglichkeiten zur Speicherung von Daten auch in großem Umfang und für längere Zeit bei einfacher Zugriffsmöglichkeit dürfte die Frist über längere Zeit nur noch aus haushaltspolitischen Gründen haltbar sein. Hier ist insbesondere auf die flächendeckende Entwicklung der sog. elektronischen Akte hinzuweisen (getrennt für die Arbeitsförderung und die Grundsicherung für Arbeitsuchende). Die Regelung unterscheidet nicht danach, aus welchen Gründen die ursprüngliche Anspruchsdauer auf die noch nicht verbrauchte Restanspruchsdauer reduziert worden ist. Maßgebend sind die Tatbestände nach § 148, durch ihr Vorliegen wird die Anspruchsdauer verbraucht, selbst wenn es zu einer Mehrfachverminderung kommt, weil mehrere Sachverhalte gleichzeitig erfüllt sind. Die Hinzurechnung wird insoweit begrenzt, als die Summe der Anspruchsdauern aus dem neu erworbenen und dem Restanspruch die Höchstanspruchsdauer entsprechend dem Lebensalter des Arbeitslosen nicht überschreiten darf. Dafür ist das Lebensalter maßgebend, das der Arbeitslose bei Erfüllung des neuen Anspruchs auf Alg vollendet hat.
1. |
Anspruch erworben 44 Jahre/12 Monate |
Restanspruch 2 Monate |
Neuer Anspruch 46 Jahre/6 Monate |
Gesamtanspruchsdauer 8 Monate |
2. |
Anspruch erworben 54 Jahre/15 Monate |
Restanspruch 4 Monate |
Neuer Anspruch 57 Jahre/18 Monate |
Gesamtanspruchsdauer 18 Monate, Erhöhung nicht möglich |
Rz. 21
Bei Hinzurechnung einer Restanspruchsdauer handelt es sich stets um Restanspruchsdauern aus einem erloschenen Anspruch. Der Restanspruch ist gem. § 161 Abs. 1 erloschen, weil ein neuer Anspruch auf Alg entstanden ist, ansonsten wäre die Anspruchsdauer nicht zu bestimmen. Dieses Erlöschen findet unabhängig von § 161 Abs. 2 statt. Danach kann ein Anspruch nicht mehr geltend gemacht werden, wenn nach seiner Entstehung 4 Jahre verstrichen sind.
Rz. 22
Abs. 4 ist nicht anwendbar, wenn der Anspruch auf Alg gemäß § 161 Abs. 1 Nr. 2 erloschen ist. Das wird in Abs. 4 ausdrücklich dadurch bestimmt, dass nur diejenige Restanspruchsdauer zur Erhöhung des neuen Anspruchs führen kann, die wegen Entstehung dieses neuen Anspruchs erloschen ist.
Rz. 23
Die Hinzurechnung einer nicht verbrauchten Anspruchsdauer ist vom Gesetzgeber mit einem Anreiz zur Wiederaufnahme einer Beschäftigung begründet worden (BT-Drs. 11/198). Tatsächlich gibt die Regelung nur ein Minimum dessen wieder, was ein Versicherter angesichts des Umstandes erwarten kann, dass z. B. 30 Versicherungspflichtjahre im Versicherungsfall mit einer Anspruchsdauer von 12 Monaten abgegolten werden, wenn der Arbeitslose bei Entstehung des Anspruchs...