Rz. 27
Bei der Bemessung des Alg bleibt Arbeitsentgelt i. S. d. Abs. 2 unberücksichtigt. Die Regelung soll Manipulationen des Alg entgegenwirken. Im Grundsatz gilt, dass Arbeitsentgelt gegen Arbeitsleistung nicht i. S. d. Abs. 2 Nr. 1 wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vereinbart oder erzielt worden ist. Das Arbeitsentgelt soll dementsprechend im Normalfall in die Bemessung des Alg eingehen. Abs. 2 Nr. 1 will nur solchen Fallkonstellationen begegnen, bei denen eine Arbeitsleistung im Gegenzug nicht gefordert oder erbracht wird. Diese können z. B. darin bestehen, dass eine wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitnehmer zu beanspruchende oder vom Arbeitgeber zugestandene Abfindung, Entschädigung oder ähnlich benannte, aber als Entlassungsentschädigung zu charakterisierende Leistung schon vor Ablauf des (gekündigten) Arbeitsverhältnisses in Teilbeträgen ausgezahlt und als laufendes Arbeitsentgelt ausgewiesen wird. Allein daraus wäre eine Gegenleistung durch Arbeitsleistung nicht ersichtlich. Manipulationen können weiter darin liegen, dass das Arbeitsentgelt ohne tarifliche Verpflichtung für die letzten Lohnabrechnungszeiträume des Beschäftigungsverhältnisses ohne entsprechende Mehr- oder Zusatzarbeit erhöht wird oder in tarifvertraglichen Regelungen bestimmt wird, dass Lohnminderungen bei entsprechend geringerer Arbeitszeit im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den gesamten Bemessungszeitraum – unter Umständen auch rückwirkend – oder Teile des Bemessungszeitraumes rückgängig gemacht werden, ohne dass eine entsprechend längere Arbeitsleistung gefordert und erbracht wird. Auch in solchen Fällen müssen letztlich Manipulationen zulasten der Arbeitslosenversicherung erkannt werden und die sich daraus ergebenden Besserstellungen beseitigt werden. Hierfür bedarf es einer stetigen Kontrolle der zur Verfügung stehenden gesetzlichen Vorschriften. Die Rechtsprechung nimmt Arbeitsentgeltansprüche von der Berücksichtigung bei der Bemessung aus, wenn diese aus Umwandlung von Überstunden und aus Ausgleichsansprüchen wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses beruhen (LSG Sachsen, Urteil v. 23.8.2016, L 3 AL 113/14).
Rz. 28
Die Vorschrift will im Ergebnis verhindern, dass der Bemessung des Alg ein Entgelt zugrunde gelegt wird, das weder das tatsächliche Lohnniveau des Arbeitslosen wiedergibt noch dem Lebensstandard – über einen längeren Zeitraum gesehen – entspricht. In der betrieblichen Praxis haben sich in den letzten Jahren flexible Arbeitszeitmodelle durchgesetzt, die eine Beschäftigungssicherung zum Ziel haben. Dabei wird stets in Erwägung gezogen, dass trotz der Verminderung der Kostenbelastung für den Arbeitgeber Entlassungen nicht vermieden werden können und deshalb Vorsorge dafür getroffen, dass die Beschneidungen des Arbeitsentgeltes keine negativen Folgen für die Höhe des Alg bei den betroffenen Arbeitnehmern haben. Solchen Bemühungen steht die Ausgrenzung von Arbeitsentgelt nach Abs. 2 Nr. 1 nicht entgegen. Die Vorschrift ist nämlich dann nicht anwendbar, wenn ein sachlicher Grund für ein höheres Arbeitsentgelt ohne Anhaltspunkte für eine Manipulation der Höhe des Alg ersichtlich ist. Das ist typischerweise der Fall, wenn Lohnminderungen nicht mehr in Kauf genommen werden sollen, sobald feststeht, dass das damit verfolgte Ziel der Sicherung des Arbeitsplatzes doch nicht erreicht wird. Das bedeutet im konkreten Einzelfall, dass eine Lohnminderung nicht mehr in Kauf genommen wird, was zur Folge hat, dass sich rechnerisch die Lohnminderung im Durchschnitt des Berechnungsergebnisses auswirken darf, aber nicht mehr für den Zeitraum, der nach dieser Beendigung der Lohnminderung liegt. In der Rückkehr zum ursprünglichen Lohnniveau kann keine Vereinbarung von Arbeitsentgelt im Hinblick auf das Alg gesehen werden, auch wird das Arbeitsentgelt nicht wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gezahlt. Für das BSG kommt es in diesem Zusammenhang auf die wesentliche Bedingung an, die es nicht in der geförderten Bereitschaft zur Beendigung der Beschäftigung oder Manipulation des Arbeitsentgelts zur Sicherung eines höheren Alg sieht, sondern in Fällen der Nachzahlung des Arbeitsentgelts, auf das vergeblich verzichtet wurde, in der Kompensation des zum Zwecke der Standortsicherung erklärten Lohnverzichts (BSG, Urteil v. 24.8.2017, B 11 AL 16/16 R). Seinen ursprünglichen Charakter verliert dieses Arbeitsentgelt allerdings dann, wenn und soweit zu leistende Arbeit für das Arbeitsentgelt nicht mehr gefordert wird. Deshalb ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Zahlung von Urlaubsabgeltung umstritten. Arbeitsleistung wird insbesondere auch gefordert, wenn Lohnminderungen nach vergeblichem Verzicht für den gesamten Bemessungszeitraum ausgeglichen werden, obwohl die Kündigung erst im Verlauf des später festzustellenden Bemessungszeitraumes ausgesprochen wird und für die zurückliegende Zeit die Lohnminderung rückgängig gemacht wird, denn die Arbeitsleistung dafür wurde ja bereits erbrac...