Rz. 305
Verhaltensbedingte Kündigungen resultieren aus kündigungsrelevantem Verhalten des Arbeitnehmers, das ist ein von seinem Willen gesteuertes Handeln, durch das arbeitsvertragliche Pflichten verletzt werden. Der verhaltensbedingte Kündigungsgrund wird im Gesetz nicht definiert. Anders als bei einem personenbedingten Kündigungsgrund will der Arbeitnehmer sich nicht seinen arbeitsvertraglichen Pflichten entsprechend verhalten, bei einem personenbedingten Kündigungsgrund kann er es (objektiv) nicht. Eine verhaltensbedingte Kündigung können auch die Verdachtskündigung und die sog. Druckkündigung sein. Allgemein gilt für das Sperrzeitrecht, dass auch aus einer verhaltensbedingten rechtmäßigen Kündigung des Arbeitgebers keine Sperrzeit hervorgehen kann, wenn der Arbeitnehmer subjektiv nicht mit einer Kündigung rechnen musste, denn dann wurde Arbeitslosigkeit nicht grobfahrlässig herbeigeführt (LSG Hessen, Urteil v. 21.9.2012, L 7 AL 201/11). Hierbei spielt das Instrument der Abmahnung eine gewichtige Rolle.
Rz. 306
Eine verhaltensbedingte Kündigung ist nur rechtmäßig, wenn eine Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten vorliegt, bereits eine Abmahnung (wegen derselben Art der Pflichtverletzung) erfolgt ist oder ersatzweise im Hinblick auf die arbeitsvertragliche Pflichtverletzung eine Abmahnung entbehrlich ist und die Kündigung nach Abwägung der Interessen des Arbeitgebers an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der des Arbeitnehmers an einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses im Ergebnis angemessen ist und der Billigkeit entspricht. Dabei ist eine Prognose darüber anzustellen, ob auch eine Gefahr künftiger Störungen des Arbeitsverhältnisses besteht. Arbeitnehmer müssen sog. unbillige Weisungen nicht, auch nicht vorläufig beachten (BAG, Urteil v. 18.10.2017, 10 AZR 330/16). Insofern liegt keine Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten vor. Jeder nachhaltige Verstoß gegen eine berechtigte Weisung des Arbeitgebers stellt jedoch eine kündigungsrelevante vertragliche Pflichtverletzung dar.
Rz. 307
Auch eine verhaltensbedingte Kündigung muss verhältnismäßig sein. Dies wird durch den vorherigen Einsatz des milderen Mittels einer Versetzung oder insbesondere der Abmahnung gewährleistet. Eine solche ist nur dann nicht erforderlich, wenn sie nicht erwartet werden kann, weil angesichts des Verhaltens des Arbeitnehmers einerseits feststeht, dass der Arbeitnehmer dessen Rechtswidrigkeit kennt und andererseits offen zutage liegt, dass der Arbeitgeber nicht bereit ist, das Verhalten hinzunehmen. Andernfalls ist eine vorangegangene Abmahnung erforderlich, die Anlass zu der Annahme gibt, dass der Arbeitnehmer angesichts seines erneuten pflichtwidrigen Verhaltens nicht zu einer zukünftigen Verhaltensänderung bereit ist, eine Verhaltensänderung jedenfalls nicht zu erwarten ist (sog. negative Prognose). Anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten sind nur relevant, wenn damit die negative Prognose hinfällig wird, weil weitere Störungen des Arbeitsverhältnisses nicht (mehr) zu erwarten sind.
Rz. 308
Bei den arbeitsvertraglichen Pflichtverletzungen kann es sich sowohl um Verletzungen der Hauptpflichten wie auch der Nebenpflichten handeln. Die Pflichten sind teilweise nicht ausdrücklich normiert oder im Arbeitsvertrag geregelt, sie entspringen etwa dem Grundsatz von Treu und Glauben oder den allgemeinen Rücksichtnahmepflichten des Arbeitnehmers auf die Interessen seines Arbeitgebers, sie sind insoweit zu konkretisieren. Wichtige Gründe zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses, die ihre Ursache im Verhalten des Arbeitnehmers haben, kommen auch als ordentliche verhaltensbedingte Kündigungsgründe in Betracht. Auch außerdienstliches Verhalten und bestimmtes Verhalten schon vor Beginn des Arbeitsverhältnisses können (ausnahmsweise) kündigungsrelevant sein, wenn sie sich konkret auf das Arbeitsverhältnis auswirken. Zu den Hauptpflichten gehören insbesondere Arbeitszeitverstöße sowie Schlechtleistungen, zu den ausdrücklichen gesetzlichen Nebenpflichten die Anzeige- und Nachweispflichten, das Verbot sexueller Belästigungen und Wettbewerbsverbote. Eine häufige vertragliche Pflichtverletzung ergibt sich aus einer Verletzung der Integritätsinteressen des Arbeitgebers. Aus solchen Verstößen resultiert letztlich die Unzuverlässigkeit des Arbeitnehmers bezogen auf die erwartete Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber.
Rz. 309
Das erforderliche schuldhafte Verhalten des Arbeitnehmers ergibt sich daraus, dass der Arbeitnehmer sein Verhalten, durch das seine arbeitsvertraglichen Pflichten verletzt wurden, selbst steuern konnte und sich deshalb sein Verhalten als vorsätzlich oder fahrlässig darstellt. Das Verhalten wirkt sich dann konkret auf das Arbeitsverhältnis aus. Ist dem Arbeitnehmer das verlangte Verhalten unmöglich, liegt insoweit kein Verschulden aufgrund vorsätzlichen oder fahrlässigen Verhaltens vor. Neben dem Verschulden des Arbeitnehmers sind keine zusätzlichen betrieblichen Beeinträchtigungen erforderlich, um ...