Rz. 551
Die Anerkennung eines abstrakt vorliegenden wichtigen Grundes für ein versicherungswidriges Verhalten setzt voraus, dass der Arbeitslose die ihm zumutbaren Versuche unternimmt, um den wichtigen Grund zu beseitigen. Der Versuch setzt also schon voraus, dass ein wichtiger Grund dem Grunde nach tatsächlich vorliegt. Dann allerdings handelt es sich um eine Obliegenheit des Arbeitslosen, sich um eine Beseitigung des wichtigen Grundes im zumutbaren Umfang zu bemühen. Ein erfolgloser Versuch zur Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz schützt allerdings nicht vor dem Eintritt einer Sperrzeit, wenn eine Kündigung auf einem arbeitsvertragswidrigen Verhalten beruht. In diesen Fällen kann zu prüfen sein, ob das arbeitsvertragswidrige Verhalten den Arbeitgeber zur Kündigung berechtigte. So kann nach einem Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung, der zum Verlust des Führerscheines führt, durchaus alternativ zu einer anschließenden Kündigung des Arbeitsverhältnisses eine vorübergehende Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz erfolgen, wenn dieser verfügbar ist. Dies ist aber keine Frage des wichtigen Grundes. Möglicherweise hat der Arbeitslose nach seinem versicherungswidrigen Verhalten auch subjektiv nicht mit einer Kündigung gerechnet und musste dies auch nicht tun. Dann kann dieser Umstand dem Eintritt einer Sperrzeit entgegenstehen. Das kann selbst dann der Fall sein, wenn dem Arbeitnehmer die Folgen eines Verstoßes gegen die Straßenverkehrsordnung bewusst waren, es sich bei dem Verstoß selbst aber nur um einen leichten Verstoß handelte, bei dem der Arbeitnehmer nicht davon ausgehen musste, damit Anlass für eine arbeitgeberseitige Kündigung zu geben.
Rz. 551a
Zu den Möglichkeiten, einen an sich gegebenen wichtigen Grund zu beseitigen, gehört auch die Anfechtung eines Aufhebungsvertrages unter den Voraussetzungen der §§ 119 ff. BGB, wenn der Arbeitnehmer z. B. durch widerrechtliche Drohung zum Abschluss des Vertrages bestimmt worden ist, etwa durch Drohung einer unberechtigten fristlosen Kündigung; ebenso im Falle arglistiger Täuschung (§ 123 BGB; vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 11.3.2016, 9 Sa 2236/15). Vom Arbeitnehmer wird allerdings nicht zu verlangen sein, gerichtlich gegen den Aufhebungsvertrag vorzugehen.
Rz. 552
Konnte der Arbeitslose den wichtigen Grund nicht durch ihm zumutbare Versuche beseitigen, muss er gleichwohl alle zumutbaren Anstrengungen darüber hinaus unternehmen, um dennoch den Eintritt des Versicherungsfalles zu verhindern. Dafür muss der Arbeitslose den wichtigen Grund etwa für seine Arbeitsaufgabe allerdings kennen, dieser wird sich dann auf die Lösung von Beschäftigungsverhältnissen durch Arbeitnehmerkündigung oder durch Abschluss eines Aufhebungsvertrages oder einer anderen auf die Beendigung der Beschäftigung zielenden Vereinbarung beziehen. Der Arbeitslose kann sich auf einen wichtigen Grund nur berufen, wenn er sich hinreichend um eine Anschlussbeschäftigung bemüht hat (LSG Sachsen, Urteil v. 8.2.2018, L 3 AL 204/16, unter Hinweis auf BSG, Urteil v. 21.10.2003, B 7 AL 92/02 R). Diese Pflicht tritt zu der Obliegenheit, die Gründe für die Arbeitsaufgabe abzuwenden, sofern ein solcher Versuch zumutbar ist, hinzu. Zumutbar ist dem Arbeitslosen insbesondere, die Agentur für Arbeit rechtzeitig einzuschalten, um durch Vermittlung in eine andere Beschäftigung den Eintritt von Arbeitslosigkeit zu vermeiden (BSG, Urteil v. 26.3.1998, B 11 AL 49/97 R). Rechtzeitigkeit dürfte den Bemühungen beizumessen sein, wenn sie spätestens am Tag der Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses bzw. bei Abschluss eines Aufhebungsvertrages oder einer anderen Vereinbarung begonnen wurden. Durch die Pflicht nach § 38 Abs. 1 zur frühzeitigen, aber seit dem 1.1.2022 nicht mehr zwingend persönlichen Arbeitsuchendmeldung ist diese Forderung zu relativieren. Vielmehr lastet eine größere Verantwortung auf der Agentur für Arbeit, durch sachgerechte Vermittlungsarbeit den Eintritt von Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Über die Einschaltung der Agentur für Arbeit hinaus sind auch Eigenbemühungen zur Vermeidung des Versicherungsfalles zumutbar. Fraglich ist, ob diese eine Einschaltung der Agentur für Arbeit ersetzen können. Das lässt sich aus der Rechtsprechung nicht eindeutig ableiten. Der Bundesagentur für Arbeit ist aber darin zuzustimmen, konkrete Eigenbemühungen genügen zu lassen. Verletzt der Arbeitnehmer allerdings seine Obliegenheiten, kann ein an sich abstrakt vorliegender wichtiger Grund nicht anerkannt werden. Will der Arbeitnehmer aufgrund einer Änderung der Rechtslage, die ihm eine abschlagsfreie Rente für besonders langjährige Versicherte ermöglicht, erst später Rente beziehen, muss er zumindest versuchen, eine Vertragsänderung beim Arbeitgeber zu erreichen.
Rz. 553
Die dem Arbeitnehmer auferlegten Obliegenheiten wirken allerdings auch auf die Arbeitsverwaltung selbst zurück. Zunächst ist die Agentur für Arbeit gehalten, den Betroffenen auch darauf hinzuweisen, dass er als Versicherter alle ih...