Rz. 732
Die Sperrzeitfolge des § 159 Abs. 6 als Folge des Meldeversäumnisses verstößt auch im Lichte der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG nach der Rechtsprechung des BSG nicht gegen Verfassungsrecht. Zwar ist der Anspruch auf Alg danach durch die Eigentumsgarantie geschützt. Ein Eingriff in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie ist aber zu verneinen, denn es fehlt bereits daran, dass eine geschützte vermögenswerte Position des Arbeitnehmers (der Alg-Anspruch) durch eine Maßnahme der Agentur für Arbeit beeinträchtigt wird. Dem Arbeitnehmer wird im Sinne einer solchen geschützten vermögenswerten Rechtsposition keine stärkere konkrete Rechtsposition "genommen", wenn er etwa mit der letzten Beschäftigung einen (neuen) Alg-Anspruch als Stammrecht erwirbt, der von vornherein mit der Möglichkeit der Sanktion in Form einer Sperrzeit auch nach § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 belastet war. Die Realisierung dieser Belastung im Einzelfall wird durch den Sperrzeitbescheid der Agentur für Arbeit lediglich festgestellt.
Rz. 733
Selbst wenn der Schutzbereich des Art. 14 GG tangiert wäre, ist der dann anzunehmende "Eingriff" durch § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 lediglich eine zulässige Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG). Insoweit kommt dem Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich eine weite Gestaltungsmöglichkeit zu, auch zur Beschneidung von Leistungsansprüchen zur Erhaltung der Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der Sozialleistungsverwaltung. Das BVerfG hat zu der für verfassungswidrig erklärten Ruhensvorschrift des § 120 Abs. 1 AFG, die zunächst keine Härtefallregelung enthielt, entschieden, dass, soweit ein Arbeitsloser aus Unerfahrenheit, Unverständnis für Verwaltungsvorgänge, aus Unachtsamkeit oder aus anderen Gründen, welche nicht als "wichtig" i. S. d. § 120 Abs. 1 AFG zu qualifizieren sind, seine Meldepflicht nicht einhält, die ausnahmslos pauschale Kürzung des Alg unzumutbar ist. Dies gilt erst recht, wenn sich die Säumnis dieses Arbeitslosen nicht nachteilig für die Arbeitslosenversicherung auswirkt (BVerfG, Beschluss v. 10.2.1987, 1 BvL 15/83). Im Einzelnen hat das BVerfG ausgeführt, bei missbräuchlicher Inanspruchnahme des Alg ist weder etwas gegen die zeitweise Versagung des Alg noch dagegen etwas einzuwenden, dass die Sanktion pauschal einen zweiwöchigen Wegfall des Alg anordnet. Es fehlen aber hinreichend Gründe, die Rechte aus dem durch Beitragszahlung erworbenen Versicherungsschutz so weitgehend und undifferenziert einzuschränken. Nicht zu entscheiden war, ob für Bezieher von Alg auch ein pauschales Ruhen des Alg von 6 Tagen noch hinnehmbar wäre; ein Wegfall des Alg von 2 Wochen ist diesem Personenkreis gegenüber nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip schon deshalb nicht gerechtfertigt, weil das eigentumsgeschützte Alg der Existenzsicherung des Berechtigten dient und eine auf eigenen Beiträgen beruhende lohnbezogene Versicherungsleistung ist. In Reaktion auf diese Rechtsprechung des BVerfG ist in § 120 AFG eine Härteklausel angefügt worden, wonach sich in Anlehnung an die für Sperrzeiten getroffene Härteregelung in § 119 Abs. 2 AFG die Säumniszeit von regelmäßig 2 Wochen auf eine Woche verkürzt.
Rz. 734
Die nunmehr in Abs. 6 vorgenommene pauschale Regelung ("die Dauer einer Sperrzeit bei Meldeversäumnis … beträgt eine Woche") ist i. S. der vorstehend zitierten Rechtsprechung des BVerfG verhältnismäßig (unter Hinweis auf BSG, Urteil v. 28.8.2007, B 7/7a 56/06 R). Denn die Dauer der Sperrzeit von einer Woche beträgt im Vergleich zu der früheren Regelung in § 120 AFG bzw. § 145 a. F. nur noch die Hälfte der Zeit und bringt mithin eine geringere Belastung des Arbeitslosen mit sich. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber die Verpflichtung zur Wahl des geringsten Mittels nicht aus den Augen verloren hat. Die vorgesehene Sanktionsfolge einer einwöchigen Sperrzeit ist auch in dieser pauschalierten Form angemessen. Denn die Sperrzeitfeststellung ist nicht Ausdruck individueller Schadensfeststellung, sondern Folge versicherungswidrigen Verhaltens (BSG, Urteil v. 14.9.2010, B 7 AL 33/09 R). Schließlich ist die pauschalierte Sperrzeit auch verhältnismäßig im engeren Sinne, insoweit also zumutbar. Sie ermöglicht einerseits der Agentur für Arbeit, im Rahmen einer Massenverwaltung auf versicherungswidriges Verhalten ohne übermäßigen Verwaltungsaufwand zu reagieren; andererseits setzt die Verletzung der Obliegenheit des § 309 Abs. 3 Satz 1 nach der Rechtsprechung aufseiten des Versicherten ein Verschulden nach einem subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstab voraus und schafft damit ein Korrektiv (vgl. BSG, Urteil v. 28.8.2007, B 7/7a 56/06 R). Eine unverschuldete Unkenntnis von der Obliegenheit führt damit nicht zum Eintritt einer Sperrzeit, die schuldhafte Unkenntnis führt indes auch unter Berücksichtigung der mit der Sperrzeit verbundenen weiteren Rechtsfolge der Anspruchsminderung nach § 148 Abs. 1 Nr. 3 nicht zu einer Existenzgefährdung, ist aber geeignet, den Versicherten zu e...