2.1 Wirkung der Regelung
Rz. 2
Übergangsregelungen durchbrechen den absoluten Geltungsanspruch eines in Kraft getretenen (Änderungs-)Gesetzes. Sie beziehen sich in der Hauptsache auf die Frage, inwieweit in bereits entstandene oder gar abgeschlossene Versicherungsfälle bzw. bewilligte Förderleistungen eingegriffen werden darf (belastende Neuregelungen) oder muss (begünstigende Neuregelungen).
Rz. 3
Übergangsregelungen erschweren der Verwaltung die Aufgabenerledigung und vervielfachen die Fehlerträchtigkeit der Entscheidungen im Verwaltungsverfahren. Da ein Gesetz seine beabsichtigte Wirksamkeit immer nur entfalten kann, wenn es im Verwaltungsverfahren auch umsetzbar ist, müssen Übergangsregelungen auch daran gemessen werden, inwieweit sie den steten Forderungen nach Verwaltungsvereinfachung entsprechen.
Rz. 4
§ 422 ist insoweit zu begrüßen, als der Gesetzgeber aus der Vielfalt möglicher Übergangsvorschriften Leitregelungen ausgewählt hat, die im Regelfall auf zukünftige Änderungen des SGB III anzuwenden sein werden. Das kann hauptsächlich Änderungsgesetze verschlanken und zur Übersichtlichkeit des SGB III auf Dauer beitragen.
Rz. 4a
Dem Gesetzgeber ist es freigestellt, bei Bedarf die Regelung außer Kraft zu setzen, so z. B. für die Anwendung des § 153 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 in der ab 1.1.2019 geltenden Fassung auf Alg bei beruflicher Weiterbildung. Durch Absenkung der Sozialversicherungspauschale bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes (Alg) erhöht sich dadurch im Ergebnis der tägliche Leistungssatz.
Ebenso hat der Gesetzgeber bereits wiederholt Erhöhungen des BAföG abweichend von § 422 termingerecht (jeweils zum 1. August) auf Vorschriften im SGB III übertragen.
2.2 Planungssicherheit
Rz. 5
Planungssicherheit für Empfänger von Leistungen der aktiven Arbeitsförderung kann aber eine Regelung nicht bieten, die einschränkungslos Ausnahmen zulässt, indem sie den Grundsatz für Gesetzesänderungen nur gelten lässt, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist. Gerade die seit einigen Jahren ersichtliche Anhäufung haushaltspolitischer Motive für gesetzliche Neuregelungen lassen für Planungssicherheit nur wenig Raum. Zu befürchten ist deshalb, dass der Grundsatz immer wieder – wenn auch ggf. nur für einen Teilbereich der aktiven Arbeitsförderung – durchbrochen wird. Dies gilt umso mehr, als die Absichten, versicherungsuntypische Leistungen zukünftig aus Steuermitteln zu finanzieren, schrittweise verwirklicht werden sollten, weil dies den Spielraum des Gesetzgebers auch bei der Ausgestaltung der Übergangsregelungen weiter ausdehnt.
2.3 Anwendungsbereich
Rz. 6
Die Leistungen der aktiven Arbeitsförderung ergeben sich aus § 3 Abs. 2. Die Differenzierung nach Leistungen an Arbeitnehmer (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 7, 9 und 11 bis 12 a. F.), Arbeitgeber (§ 3 Abs. 2 a. F.) und Träger (§ 3 Abs. 3 a. F.) ist mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt 2012 aufgegeben worden. Seither werden die Leistungen nach Bedarfslagen strukturiert. Daraus ergibt sich schlicht, dass die Leistungen nach dem Dritten Kapitel Leistungen der aktiven Arbeitsförderung sind. Hinzu kommt das Alg bei beruflicher Weiterbildung. Ausgenommen sind die Leistungen zum Ersatz des Arbeitsentgelts bei Arbeitslosigkeit (Alg, Teil-Alg) und Insolvenzgeld bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers. Leistungen der aktiven Arbeitsförderung i. S. d. § 422 sind nicht nur die Leistungen selbst, z. B. Eingliederungszuschüsse, sondern umfassen auch die Regelungen über ihre Rückzahlung (BSG, Urteil v. 21.3.2002, B 7 AL 68/01 R). Ist § 422 anzuwenden, sind auch geänderte Rückzahlungsvorschriften in ihrer alten Fassung anzuwenden.
Rz. 6a
Für die Grundsicherung für Arbeitsuchende enthält § 66 SGB II eine weitgehend mit § 422 übereinstimmende, aber doch eigenständige Regelung.
2.4 Kriterien
Rz. 7
Für Übergangsregelungen zu Förderleistungen haben sich in der Rechtsprechung die Kriterien Förderbedarf, Förderantrag und Förderbeginn herausgebildet. Sie finden sich in der Übergangsvorschrift wieder, allerdings als Alternativen. Früheres Recht ist anzuwenden, wenn vor dem Inkrafttreten der Neuregelung entweder der Anspruch auf die von der Rechtsänderung betroffenen Leistung bereits entstanden ist oder die Leistung bereits zuerkannt wurde, was bereits vor Entstehung des Anspruchs oder dem Beginn der Maßnahme geschehen kann (vgl. aber Rz. 9), oder die Leistung bis zum Maßnahmebeginn beantragt wurde und die Maßnahme bei Inkrafttreten begonnen hat (vgl. dazu LSG Sachsen, Urteil v. 18.5.2017, L 3 AL 243/15). Die auch für eine grundsätzliche Übergangsregelung genannte Vielzahl an Kriterien verdeutlicht einerseits die Schwierigkeiten einer solchen Vorschrift für einen allgemeinen Anwendungsbereich. Andererseits mag sie die zum Teil erheblich divergierende Rechtsprechung zum Übergangsrecht widerspiegeln.
Rz. 8
Ungenannt bleibt das Bedürfnis nach der Förderleistung, das allerdings regelmäßig bereits als Grundanspruchsvoraussetzung für die Förderleistung festgestellt worden sein dürfte und selbst bei Wegfall der Leistung vorausgesetzt wird. Das wird ...