2.1 Unterhaltsweigerung der Eltern (Abs. 1)
Rz. 3
Die Eltern sind nach dem bürgerlichen Unterhaltsrecht grundsätzlich verpflichtet, ihrem Kind während einer nach den Vorschriften der §§ 59 bis 76 förderungsfähigen Ausbildung die angemessenen Aufwendungen für den Lebensunterhalt und die Ausbildung zu tragen. Diese Ausbildungsverpflichtung der Eltern besteht auch unabhängig davon, ob der Auszubildende volljährig ist. Ist er hingegen verheiratet, besteht eine vorrangige Unterhaltsverpflichtung des Ehegatten (§ 1608 BGB). Die Vorausleistung wird grundsätzlich vom Beginn des Monats an erbracht, in dem der Auszubildende die nach Abs. 1 maßgeblichen Umstände mitgeteilt hat. Rückwirkend wird die Vorausleistung nur geleistet, wenn der Auszubildende die Verweigerung von Unterhaltsleistungen innerhalb von 2 Monaten nach Bekanntgabe des Bescheides mitteilt (Fachliche Weisungen der BA zu § 68, Stand: 1/2018).
Rz. 4
Nach Abs. 1 Satz 1 wird nach Anhörung der Eltern ohne Anrechnung des Elterneinkommens BAB geleistet, wenn der Auszubildende glaubhaft macht, dass seine Eltern den nach dem SGB III angerechneten Unterhaltsbetrag nicht leisten. Gleiches gilt, wenn der Auszubildende glaubhaft macht, dass seine Eltern die erforderlichen Auskünfte nicht erteilen oder Urkunden nicht vorgelegt werden. Die Glaubhaftmachung ist keine Voraussetzung für das Entstehen des Vorausleistungsanspruchs, sondern lediglich eine Bewilligungsvoraussetzung (Bay. LSG, Urteil v. 21.9.2016, L 10 AL 17/16; Hassel, in: Brand, SGB III, § 68 Rz. 8; Brecht-Heitzmann, in: Gagel, SGB III, § 68 Rz. 15). Für die Glaubhaftmachung gegenüber der Agentur für Arbeit reicht es aus, wenn der Antragsteller schriftlich versichert, dass seine Eltern den nach diesem Buch angerechneten Unterhaltsbetrag nicht leisten (allg. Meinung, vgl. Brecht-Heitzmann, in: Gagel, SGB III, § 68 Rz. 16 m. w. N.). Die Frage der Notwendigkeit einer Vorauszahlung ist von der Agentur für Arbeit im Falle der Nichtleistung der Eltern nicht von Amts wegen zu prüfen (Hassel, in: Brand, SGB III, § 68 Rz. 4; Schön, in: Böttiger/Körtek/Schaumberg, SGB III, § 68 Rz. 7). Etwas anders gilt im Falle der 2. Alt. von Abs. 1 Satz 1, also in den Fällen, in denen das Einkommen der Eltern nicht berechnet werden kann (Wagner, in: Mutschler/Schmidt-De Caluwe/Coseriu, SGB III, § 68 Rz. 16; Brecht-Heitzmann, in: Gagel, SGB III, § 68 Rz. 20). Ein Antrag auf Berufsausbildungsbeihilfe erstreckt sich auch auf die Vorausleistung von BAB nach § 68. Eines weitergehenden gesonderten Antrags auf Vorausleistung nach § 68 bedarf es nicht (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss v. 15.12.2011, L 11 AL 128/11B; Hassel, in: Brand, SGB III, § 68 Rz. 4; Brecht-Heitzmann, in: Gagel, SGB II/SGB III, § 72 SGB III Rz. 15; Schön, in: Böttiger/Körtek/Schaumberg, SGB III, § 68 Rz. 8).
Rz. 4a
Für den Anspruch aus Vorausleistung ist es notwendig und ausreichend, dass der Auszubildende unverzüglich nach Bekanntwerden, welcher Unterhaltsbetrag seinen Eltern nach dem Gesetz angerechnet wird, glaubhaft macht, dass seine Eltern diesen Betrag nicht leisten. Diese Glaubhaftmachung setzt nach allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen voraus, dass der Auszubildende sein Vorleistungsbegehren möglichst bald, d. h. unverzüglich geltend machen muss. Soweit eine Erklärung "unverzüglich", d. h. ohne schuldhaftes Zögern zu erfolgen hat, ist dieses zwar nicht mit "sofort" gleichzusetzen. Dem Betroffenen steht eine angemessene Überlegungsfrist zu, d. h. er muss seine Erklärung innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalles zu bemessenden Prüfungs- und Überlegungsfrist abgeben. Eine erstmalige Glaubhaftmachung mehr als ein Jahr nach Kenntnis aller Umstände ist keine unverschuldete Verzögerung der Glaubhaftmachung mehr und schließt eine Bewilligung der Vorausleistung aus (Bay. LSG, Urteil v. 21.9.2016, L 10 AL 17/16).
Rz. 5
Die Pflicht der Eltern zur Finanzierung hat ihre Grenzen insofern, als sie auf eine der Begabung, den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entsprechende Ausbildung konzentriert ist und die (finanzielle) Belastung der Eltern – nach ihren wirtschaftlichen Verhältnissen beurteilt – nicht unzumutbar ist. Die Eltern sind nicht zur Finanzierung aller beruflichen Vorhaben ihrer Kinder verpflichtet (LG Lüneburg, Urteil v. 4.3.1976, FamRZ 1976 S. 379; VGH Mannheim, Urteil v. 23.4.1982, NJW 1983 S. 2211). Es muss immer dann davon ausgegangen werden, dass die Eltern wirtschaftlich in der Lage sind die Ausbildungsverpflichtung (zumindest teilweise) zu erfüllen, wenn ihr Einkommen die Freibeträge übersteigt (vgl. dazu § 67).
Rz. 6
Abs. 1 beschreibt zwei Fälle, in denen die BAB ohne Anrechnung der ermittelten Unterhaltsleistungen zu bewilligen (Vorausleistung) ist:
- Eltern leisten den (nach den Vorschriften dieses Gesetzes errechneten) Unterhalt nicht oder
- Eltern verweigern die für die Berechnung der BAB notwendigen Auskünfte.
Unterhaltsbeitrag ist der die Freibeträge übersteigende Teil des Einkommens, nicht die förmlich festgesetzte Unterhalts...