Leitsatz
Der Anlageberater ist grundsätzlich gehalten, den Anlageinteressenten, dem er zur Eingehung einer Kommanditbeteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds rät, darauf hinzuweisen, dass die Veräußerung eines solchen Anteils in Ermangelung eines entsprechenden Markts nur eingeschränkt möglich ist.
Sachverhalt
Der Beklagte empfahl dem Kläger im Jahr 1993 als weitere Alterssicherung die Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds. Ab Ende 1997 sanken die Einnahmen aus dem Fonds, da der Hauptpächter der Immobilie nicht mehr regelmäßig zahlte. Seit 1998 erfolgen keine Ausschüttungen mehr. Der Kläger verlangt Schadensersatz und war damit beim BGH erfolgreich.
Entscheidung
Der Senat sah im Beklagten einen Anlageberater, der grundsätzlich weiterreichenden Pflichten als ein bloßer Anlagevermittler unterliegt. Von einem Anlageberater kann der Interessent nicht nur die Mitteilung von Tatsachen, sondern auch deren fachkundige Bewertung und Beurteilung erwarten. Häufig wünscht er eine auf seine persönlichen Verhältnisse zugeschnittene Beratung. In einem solchen Vertragsverhältnis hat der Berater regelmäßig weitgehende Pflichten gegenüber dem betreuten Anleger. Als unabhängiger individueller Berater, dem persönliches Vertrauen entgegengebracht wird, muss er besonders differenziert und fundiert beraten.
Die konkrete Ausgestaltung der Pflicht hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. In Bezug auf das Anlageobjekt muss der Anlageberater rechtzeitig, richtig, sorgfältig, verständlich und vollständig beraten. Insbesondere muss er den Interessenten über alle Eigenschaften und Risiken unterrichten, die für die Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Denn nur aufgrund von Informationen, die ein zutreffendes aktuelles Bild der empfohlenen Anlage bieten, kann der Interessent eine sachgerechte Anlageentscheidung treffen.
Der Anlageberater ist grundsätzlich gehalten, den Anlageinteressenten, dem er zur Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds rät, darauf hinzuweisen, dass die Veräußerung eines solchen Anteils wegen des fehlenden Markts nur eingeschränkt möglich ist. Die praktisch nicht vorhandene Aussicht, eine KG-Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds zu angemessenen Konditionen verkaufen zu können, ist ein Umstand, der für die Entscheidung eines durchschnittlichen Anlegers von erheblicher Bedeutung ist. Die Bedingungen, zu denen ein Anleger auch auf langfristig festgelegtes Geld vorzeitig zurückgreifen kann, sind typischerweise ein wesentliches Element seiner Investitionsentscheidung. Dies gilt auch für Anlagen, die primär der Alterssicherung dienen sollen. Auch in diesen Fällen kann ein vorzeitiges Bedürfnis entstehen, die festgelegten Vermögenswerte liquide zu machen, etwa bei Arbeitslosigkeit, bei krankheitsbedingtem Verlust der Erwerbsfähigkeit oder bei Änderung der Anlageziele.
Praxishinweis
Die Pflicht zur ungefragten Aufklärung über die eingeschränkte Veräußerungsmöglichkeit von Vermögensanlagen kann dann entfallen, wenn die Weiterveräußerung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls für den Anleger erkennbar ohne Belang ist. Gleiches gilt, wenn die entsprechende Belehrung in einem Prospekt enthalten ist und der Berater davon ausgehen darf, dass der Kunde diesen gelesen und verstanden hat und gegebenenfalls von sich aus nachfragt. Beides konnte der BGH hier aber nicht erkennen.
Link zur Entscheidung
BGH-Urteil vom 18.1.2007, III ZR 44/06