Leitsatz

Schadensersatzansprüche in Bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum sind eine gemeinschaftsbezogene Forderung. Sie können daher nur von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geltend gemacht werden

 

Normenkette

Art. 3 Abs. 1, 101 Abs. 1 Satz 2, 103 Abs. 1 GG; § 5 Abs. 2 WEG

 

Das Problem

  1. K und B sind jeweils Wohnungseigentümer. Jeder ist Sondereigentümer einer "Garagenzelle" (genau: des Garagenraums). B besprüht im Rahmen von Streitigkeiten zwischen den Parteien ein Garagendachverblendungsstück, das sich sowohl über ihre eigene als auch über K's Garagenzelle wölbt, mit "Schriftzeichen in schwarzer Farbe".
  2. K nimmt daraufhin B in Höhe von 464,10 EUR für Malerarbeiten zur Beseitigung dieser Farbauftragungen auf Schadensersatz in Anspruch. B beantragt die Abweisung der Klage "als unzulässig", aber auch als unbegründet. K sei nicht aktiv legitimiert, da Außenwände und Dach der Garage gemeinschaftliches Eigentum seien. Ferner sei die Höhe des Kostenvoranschlags falsch. Schließlich sei nicht das angerufene Gericht, sondern die WEG-Abteilung des Amtsgerichts zuständig.
  3. Das Amtsgericht, eine "normale" Abteilung, verurteilt B zur Zahlung der 464,10 EUR. K sei aktiv legitimiert (= berechtigt, den Schadensersatz einzuklagen). Das Garagendachverblendungsstück stehe in K's Sondereigentum. K sei daran ein materieller Schaden entstanden, für welchen B Schadensersatz zu leisten habe. Die Höhe des Kostenvoranschlags sei unstreitig. Soweit B die Unzuständigkeit der Zivilabteilung rüge, seien im Anschluss an die mündliche Verhandlung Entscheidungen bekannt geworden, wonach tragende Teile eines auf dem gemeinschaftlichen Grundstück errichteten Garagengebäudes zum gemeinschaftlichen Eigentum gehörten, auch wenn die Garagen dem Sondereigentum nur eines Wohnungseigentümers zugeordnet seien. Das Garagendachverblendungsstück stelle einen Teil der Dachkonstruktion der Garage dar. Da aber bereits streitig verhandelt worden sei, sei eine Abgabe an die nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständige WEG-Abteilung nicht mehr möglich gewesen.
  4. Mit ihrer Gehörsrüge macht B geltend, das Amtsgericht habe einen Schriftsatz nicht berücksichtigt. In diesem habe sie zur Höhe des Kostenvoranschlags vorgetragen und Beweis angeboten.

    § 321a ZPO (Abhilfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör)

    (1) Auf die Rüge der durch die Entscheidung beschwerten Partei ist das Verfahren fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist und das Gericht den Anspruch dieser Partei auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

    (...)

    Außerdem sei ihr Vortrag, dass es sich um gemeinschaftliches Eigentum handele und K nicht durch Beschluss zur Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs ermächtigt worden sei, übergangen worden. Schließlich habe sie wiederholt darauf hingewiesen, dass die WEG-Abteilung zuständig sei. Das Amtsgericht weist diese Gehörsrüge zurück. Soweit B Einwendungen gegen die Schadenshöhe erhoben habe, sei dieses Vorbringen verspätet.

  5. B rügt nun – da das Urteil nicht berufungsfähig ist – im Wege der Verfassungsbeschwerde die Verletzung ihrer Grundrechte aus Art. 103 Abs. 1, Art. 101 Abs. 1 Satz 2, Art. 19 Abs. 4 und Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot.
 

Die Entscheidung

  1. Mit Erfolg! Das Bundesverfassungsgericht hebt das Urteil des Amtsgerichts auf und verweist die Sache zurück.
  2. Das angegriffene Urteil verstoße zum einen gegen Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot. Eine Verletzung des Willkürverbots liege vor, wenn die Rechtsanwendung oder das Verfahren unter keinem denkbaren Aspekt mehr rechtlich vertretbar sei und sich daher der Schluss aufdränge, dass die Entscheidung auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruht. Dies sei der Fall, wenn die Entscheidung auf schweren Rechtsanwendungsfehlern wie der Nichtberücksichtigung einer offensichtlich einschlägigen Norm oder der krassen Missdeutung einer Norm beruht. So liege es hier.
  3. Das Amtsgericht habe bei der Feststellung von K's "Aktivlegitimation" (hier irrt das BVerfG: es geht um K's Prozessführungsbefugnis) § 5 Abs. 2 WEG als "offensichtlich einschlägige Norm" nicht berücksichtigt. Diese Vorschrift regele, dass tragende Teile eines Gebäudes nicht Gegenstand eines Sondereigentums sein könnten. Darunter falle auch die Dachkonstruktion einer Garage, die im Sondereigentum stehe (Hinweis unter anderem auf OLG Düsseldorf v. 5.11.2003, I-3 Wx 235/03, DNotZ 2004 S. 630). Der Schadensersatzanspruch hätte deshalb nur von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geltend gemacht werden können. Dass es sich bei dem Dachverblendungsstück um gemeinschaftliches Eigentum handele und deshalb die WEG-Abteilung des Amtsgerichts zuständig gewesen wäre, habe das Amtsgericht später auch festgestellt. Ein sachlicher Grund, dennoch K's Aktivlegitimation zu bejahen, sei nicht ersichtlich. Die hierfür gegebene Begründung, es habe die Zuständigkeit der WEG-Abteilung erst nach der mündlichen Verhandl...

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