Leitsatz
Die Möglichkeit, einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch gegen den Verwalter in die prozessuale Kostenentscheidung einzubeziehen, führt nicht dazu, dass dieser Anspruch dem Wohnungseigentümer endgültig aberkannt wird, wenn das Gericht von der Anwendung des § 49 Abs. 2 WEG absieht. Denn die Entscheidung, dem Verwalter gemäß § 49 Abs. 2 WEG die Kosten aufzuerlegen oder hiervon abzusehen, ist nicht der materiellen Rechtskraft fähig.
Normenkette
WEG § 49 Abs. 2
Das Problem
Wohnungseigentümer K verlangt vom Verwalter B die Kosten einer Anfechtungsklage, bei der K gemeinsam mit den anderen Wohnungseigentümern wegen eines Erhaltungsbeschlusses verklagt wurde und verloren hat, als Schadensersatz. Mit Erfolg!
Die Entscheidung
Die Nichtanwendung von § 49 Abs. 2 WEG im Vorprozess sei für das Bestehen von Schadensersatzansprüchen gegen B belanglos. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes führe die Möglichkeit, einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch gegen den Verwalter in die prozessuale Kostenentscheidung einzubeziehen, nicht dazu, dass dieser Anspruch dem Wohnungseigentümer endgültig aberkannt werde, wenn das Gericht von der Anwendung des § 49 Abs. 2 WEG absehe. Denn die Entscheidung, dem Verwalter gemäß § 49 Abs. 2 WEG die Kosten aufzuerlegen oder hiervon abzusehen, sei nicht der materiellen Rechtskraft fähig.
Verjährung
Der Anspruch sei nicht verjährt. Für Erstattungsansprüche für durch das Führen eines Prozesses verursachten Schaden beginne die Verjährung erst mit Erlass der nachteiligen gerichtlichen Entscheidung. Der Schaden sei daher frühestens mit der Kostenentscheidung im Vorprozess im Jahr 2012 entstanden.
Schadensersatz
K stünde gegen B der geltend gemachte Schadensersatzanspruch zu.
- B habe durch gezielte Steuerung von Informationen die Willensbildung der Wohnungseigentümer beeinflusst. Denn B habe den Wohnungseigentümern bewusst Informationen aus dem ersten Gutachten über günstigere Sanierungsmöglichkeiten vorenthalten.
- Bereits dieses Tun hätte zum Erfolg der Anfechtungsklage geführt, sodass insoweit an der Kausalität der Pflichtverletzung des B für den Schaden keine Zweifel bestehe. Denn nach gefestigter Rechtsprechung sei ein Beschluss bereits deshalb anfechtbar, wenn die Wohnungseigentümer ihr Ermessen nicht sachgerecht ausübten. Ein derartiger Fall liege insbesondere dann vor, wenn die Wohnungseigentümer ihre Entscheidung auf der Basis einer unzureichenden Tatsachengrundlage träfen.
- B's Einwand, die Wohnungseigentümer hätten eine hinreichend gesicherte Tatsachengrundlage gehabt, weil sie alternative Möglichkeiten zur Beschlussfassung erörtert hatten, verfange nicht. Insofern gelte, dass eine Übersendung von Unterlagen zu einem vorgeschlagenen Beschluss erforderlich sei, wenn für die Beschlussfassung eine eingehende inhaltliche Auseinandersetzung mit diesen Unterlagen von wesentlicher Bedeutung sei. Dies werde etwa regelmäßig im Hinblick auf eine Gesamt- und Einzelabrechnung angenommen. Mit diesen Konstellationen sei die hiesige Instandsetzung vergleichbar, sodass auch hier die Wohnungseigentümer vor der Versammlung umfassend hätten informiert werden müssen. Dies schließe alle Möglichkeiten zur Instandsetzung ein. Eine erstmalige Präsentation einer günstigeren Instandsetzungsmöglichkeit in der Versammlung sei nicht ausreichend. Insoweit ändere auch die – zumindest theoretisch vorhandene – Möglichkeit der Eigentümer, sich zur Erlangung näherer Informationen an den Verwalter zu wenden, nichts an den gegenüber den Wohnungseigentümern bestehenden Informationspflichten (Hinweis auf LG Frankfurt a.M. v. 20.5.2016, 2-13 S 1/13, ZWE 2017 S. 48).
Kommentar
- Der Verwalter schuldet den Wohnungseigentümern Schadensersatz, wenn er seine Amtspflichten verletzt. Der Verwalter hat Vorsatz, aber auch Fährlässigkeit – auch leichte – zu vertreten. Zwar mildert § 49 Abs. 2 WEG diesen Maßstab herab. Dies gilt aber nur, wenn in einem Rechtsstreit unter den Wohnungseigentümern der Verwalter die Kosten des Rechtsstreits tragen soll.
- Zu den Amtspflichten gehört es, die Wohnungseigentümer vor eine Beschlussfassung – soweit ihm das möglich ist – umfassend zu informieren. Ferner gehört die Übersendung von Angeboten dazu. Bislang wird es allerdings auch als möglich angesehen, nur einen Preisspiegel zu versenden oder selbst darauf bei umfassenden Unterlagen zu verzichten und die Wohnungseigentümer bloß auf die Möglichkeit hinzuweisen, die Angebote vor der Versammlung im Verwalterbüro einzusehen.
Was ist für den Verwalter wichtig?
Der Verwalter sollte im Zweifel immer den "sichersten" Weg gehen. Folgt man dem LG Frankfurt a.M., besteht dieser Weg darin, den Wohnungseigentümern stets und immer sämtliche Angebote mit der Ladung zu einer Versammlung zu übersenden.
Link zur Entscheidung
LG Frankfurt am Main, Urteil vom 15.03.2018, 2-13 S 6/16