1 Leitsatz

Gibt ein Wohnungseigentümer in Bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum Arbeiten an einem Wasserrohr in Auftrag, das in seinem Eigentum steht, und erleidet hierdurch der Grundstücksnachbar einen Schaden, schuldet die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer keinen Schadensersatz.

2 Normenkette

§ 9a Abs. 2 WEG

3 Das Problem

Das Gebäude einer Wohnungseigentumsanlage und das Nachbargebäude, welches im Eigentum von K steht, haben eine gemeinsame Giebelmauer. K behauptet erhebliche Feuchtigkeitsschäden und Schimmelpilzbefall in 2 Kellerräumen sowie in einem Erdgeschossraum. Nach einem Gutachten sind für diese Feuchtigkeitsschäden undichte Rohrleitungen verantwortlich, die von Wohnungseigentümer X ohne seine Zustimmung in die Giebelmauer eingebracht worden waren. Insoweit wendet sich K an den Verwalter. Dieser leitet K's Ansprüche der Gebäudeversicherung weiter. Auf Basis von Voranschlägen leistet der Gebäudeversicherer 2.664,49 EUR (Rest = 1.141,93 EUR) unter Zugrundelegung eines Zeitwertabzugs von 30 % nach den AVB. Wegen Gutachterkosten und des Restbetrags wendet sich K an X. Dieser meint, den Wasserschaden nicht verursacht zu haben. K verlangt nun von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer B Schadensersatz.

4 Die Entscheidung

Ohne Erfolg! Da ein Verschulden der B nicht dargelegt sei, komme nur ein Anspruch entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB in Betracht. Schuldner des Ausgleichsanspruchs sei – wie bei der unmittelbaren Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB – derjenige, der die Nutzungsart des beeinträchtigenden Grundstücks bestimme. Dies könnten die ihre Grundstücke allein nutzenden Eigentümer, sonstige dinglich Berechtigte oder Besitzer wie Mieter oder Pächter sein; die Eigentumsverhältnisse seien nicht entscheidend. Nach diesen Grundsätzen schulde B keinen Schadensersatz, denn der Einbau des Rohrs, welches den Wasseraustritt zur Folge gehabt habe, sei von X in Auftrag gegeben worden. Die Art, die Ausführung und der Verlauf der Wasserleitungen habe im Ermessen von X gestanden, der sein Bad nach eigenem Belieben in Eigenregie renoviert habe. Auf eine Kenntnis der B – ohne gestaltende Einwirkungsmöglichkeit – komme es nicht an. Auch eine "WEG-spezifische" Betrachtung führe zu dem Ergebnis, dass B keinen Schadensersatz schulde. Denn die Giebelwand stehe im Alleineigentum des K. Sie befinde sich nämlich vollständig auf dem Grundstück des K, wenn auch unmittelbar an der Grenze zum Grundstück der Wohnungseigentumsanlage.

Hinweis

  1. Eine Giebelmauer, auch Nachbarwand oder Kommunmauer genannt, ist ein besonderer Fall des Überbaus. Es ist eine Mauer, die von einem Grundstückseigentümer – nicht notwendig zur Hälfte – auf seinem und auf dem Nachbargrundstück errichtet wird, und dazu bestimmt ist, von beiden Nachbarn in Richtung auf sein eigenes Grundstück benutzt zu werden. Nach h. M. entsteht mit Vollendung des Anbaurohbaus grundsätzlich hälftiges Miteigentum. Die Giebelmauer wird in ihrem gesamten Umfang wesentlicher Bestandteil beider Grundstücke. Bedeckt der Anbau nur einen Teil der Mauer, wird der Anbauende in jenem Bruchteil Miteigentümer, der dem Verhältnis der halben von ihm zugebauten Fläche zur Gesamtfläche der Mauer entspricht. Von diesen Grundsätzen aus steht die Giebelmauer im Miteigentum des K und der Wohnungseigentümer als Grundstückseigentümer. Soweit die Wohnungseigentümer als Eigentümer anzusehen sind, handelt es sich um gemeinschaftliches Eigentum.
  2. Vor diesem Hintergrund kommen Ansprüche gegen die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in Betracht. Denn diese muss nach § 9a Abs. 2 WEG für Störungen, die vom gemeinschaftlichen Eigentum ausgehen, einstehen.

5 Entscheidung

AG Bielefeld, Urteil v. 12.11.2020, 408 C 133/18

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