Leitsatz

Macht der Mandant die Entscheidung über einen Wertpapierverkauf erkennbar davon abhängig, dass entstandene Kursverluste mit Gewinnen verrechnet werden können und erteilt der Steuerberater daraufhin eine rechtlich fehlerhafte Auskunft, die den Mandanten veranlasst, von der Veräußerung abzusehen, so haftet der Berater dem Mandanten grundsätzlich für weitere Kursverluste.

 

Sachverhalt

Die Beklagte ist für den Kläger als Steuerberaterin tätig. Anfang des Jahres 2001 waren dem Kläger in seinem Wertpapierdepot erhebliche Verluste entstanden. Nach Beratung durch seine Bank erwog der Kläger, die Verluste durch Veräußerung der Wertpapiere noch innerhalb der Spekulationsfrist zu begrenzen. Hierbei sollte der für 2001 anzusetzende Verlust mit einem Spekulationsgewinn aus dem Vorjahr sowie künftigen Spekulationsgewinnen verrechnet werden. Der Kläger machte in einem Beratungsgespräch der Beklagten deutlich, dass seine Entscheidung, die Wertpapiere zu veräußern, allein davon abhängig sei, ob der Vorjahresgewinn mit den Verlusten verrechnet werden könne. Die Beklagte teilte unter Verkennung von § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG mit, dass ein Verlustrücktrag auf das Jahr 2000 nicht möglich und deshalb die beabsichtigte Maßnahme wirtschaftlich nicht sinnvoll sei. Darauf sah der Kläger davon ab, seine Wertpapiere zu veräußern. Nachdem der Kläger anderweitig über die tatsächliche Rechtslage unterrichtet worden war, informierte er unverzüglich die Beklagte. Diese räumte ihren Irrtum ein. Hierauf veräußerte der Kläger seine Wertpapiere mit einem weiteren Verlust von 121045,98 EUR. LG und OLG hatten die Schadensersatzklage abgewiesen. Mit seiner Revision war der Kläger erfolgreich.

 

Entscheidung

Grundsätzlich haftet derjenige, der für ein schädigendes Ereignis verantwortlich ist, dem Geschädigten für alle dadurch ausgelösten rechtlichen und wirtschaftlichen Nachteile. Jedoch darf dem Anspruchsgegner nur der Schaden zugerechnet werden, der innerhalb des Schutzbereichs der verletzten Norm eingetreten ist. Dieser Grundsatz bedeutet für den Bereich der Anwalts- und Steuerberaterhaftung, dass der Berater nur für solche Nachteile einstehen muss, zu deren Abwendung er die aus dem Mandat folgenden Pflichten übernommen hat1. Der Steuerberater, der dem Anlageinteressenten nur hinsichtlich eines bestimmten für das Vorhaben bedeutsamen Einzelpunkts Aufklärung schuldet, haftet daher im Fall eines Fehlers lediglich für die Risiken, für deren Einschätzung die geschuldete Aufklärung maßgeblich war2.

Der Beklagten war bei der (unrichtigen) Auskunftserteilung bekannt, dass die beabsichtigte Wertpapierveräußerung nur von der Frage abhing, ob der eingetretene Verlust mit den im Vorjahr erzielten Gewinnen verrechnet werden könne. Die von der Beklagten erbetene steuerliche Auskunft diente folglich für diese erkennbar allein dazu, dem Kläger die für das in Betracht kommende Wertpapiergeschäft gewünschte steuerrechtliche Information zu geben. Die Aufgabe der Steuerberaterin bestand demnach gerade darin, den Kläger darüber zu belehren, ob die steuerliche Voraussetzung gegeben war, unter welcher der Kläger die Papiere veräußern wollte, so dass das Risiko weiterer Verluste entfiel. Der dem Kläger infolge des von der Beklagten zu verantwortenden Beratungsfehlers entstandene Kursverlust stellt damit den Nachteil dar, der nach dem Inhalt der von der Beklagten übernommenen Pflicht gerade vermieden werden sollte. Auf einen – unstreitig fehlenden – steuerlichen Schaden kommt es dagegen nicht an. Der geltend gemachte weitere Kursverlust fällt nach Art und Entstehungsweise unmittelbar unter den Schutzzweck der durch die Falschauskunft verletzten Beratungspflicht der Beklagten. Daher hat die Beklagte für den eingetretenen Schaden aufzukommen.

 

Praxishinweis

Vorliegend hatte der Kläger die Veräußerung der Wertpapiere zwar zunächst aus eigenem Entschluss unterlassen. Dies ändert an der Schadensersatzpflicht der Beraterin aber nichts. Wurde die Handlung des Mandanten durch das haftungsbegründende Ereignis – wie hier – geradezu herausgefordert, so bleibt der erforderliche Zurechnungszusammenhang mit dem Verhalten des Beraters bestehen3.

 

Link zur Entscheidung

BGH, Urteil vom 18.01.2007, IX ZR 122/04BGH-Urteil vom 18.1.2007, IX ZR 122/04

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