Leitsatz
Empfiehlt eine kreditgebende Bank einem Anlageinteressenten eine Beteiligung an einem Bauherrenmodell, so muss sie ihn ungefragt informieren, wenn die erzielten Mieterträge der in einem steuersparenden Bauherrenmodell bereits erstellten Eigentumswohnungen nicht den im Anlageprospekt prognostizierten Mieten entsprechen und die Vermietung der Wohnungen Schwierigkeiten bereitet.
Sachverhalt
Ein Bankberater empfahl einem Ehepaar, die Einkommensteuerschuld durch die Beteiligung an einem Bauherrenmodell "wegzudrücken". Er veranlasste die Kunden – unter Vorlage eines Emissionsprospekts mit der Aufschrift "Ein Angebot der G-Bank-Gruppe" – zum Kauf von zehn Eigentumswohnungen bei einem Bauträger, an dem die Bank über eine Tochtergesellschaft beteiligt war. Die prognostizierten Erträge konnten später nicht erzielt werden. Zum Zeitpunkt des Immobilienkaufs war einem der Vorstandsmitglieder der G-Bank bereits bekannt, dass von den zuvor verkauften Wohnungen nur ein Teil vermietet werden konnte und die durchschnittliche Miete weit unter den Prospektangaben lag. Der Bauträger geriet kurze Zeit später in Insolvenz. Der BGH sprach den Eheleuten dem Grunde nach Schadenersatz zu.
Entscheidung
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kommt zwischen der Bank und ihrem Kunden konkludent ein Beratungsvertrag zustande, wenn – gleichgültig ob auf Initiative des Kunden oder der Bank – im Zusammenhang mit einer Anlageentscheidung tatsächlich eine Beratung stattfindet. Die Bank hatte hier den Klägern von sich aus geraten, die Steuerschuld durch Beteiligung an einem Bauherrenmodell "wegzudrücken", dafür das Modell eines Bauträgerin, an dem sie mittelbar beteiligt war, empfohlen, die Übersendung des Emissionsprospekts veranlasst und sich außerdem auch noch an dem entscheidenden Verkaufsgespräch über zehn Eigentumswohnungen zu einem Preis von mehr als drei Mio. DM beteiligt. Damit war hier von einem Beratungsverhältnis auszugehen.
Aufgrund des Beratungsvertrags war die Bank zu einer zutreffenden, negative Fakten nicht verschweigenden aktuellen Information über das Anlageobjekt, dessen Rentabilität und die damit verbundenen spezifischen Risiken verpflichtet. Denn nur aufgrund von Informationen, die ein zutreffendes, aktuelles Bild über die empfohlene Anlage boten, waren die Interessenten in der Lage, eine sachgerechte Anlageentscheidung zu treffen. Außerdem brachten sie der Bank angesichts der Beratungsleistungen besonderes Vertrauen entgegen und wollten erkennbar von deren besonderen Kenntnissen und Verbindungen hinsichtlich des Anlageobjekts profitieren. Unter Berücksichtigung dieser Umstände hätte die Bank bei Abschluss der Verträge auf die negative Vermietungs- und Renditesituation hinweisen müssen. Schon die Tatsache, dass die Vermietung der Eigentumswohnungen ins Stocken geraten war, konnte für sich genommen einen zur Vorsicht neigenden Anleger vom Kauf abhalten. Die Beklagte hat ihre Pflicht, über die Höhe der durchschnittlich erzielten Miete und die Vermietungssituation aktuell und richtig zu informieren, auch schuldhaft verletzt. Das gilt selbst dann, wenn der konkret tätig gewordene Kundenberater selbst über die negativen Entwicklungen nicht informiert gewesen sein sollte. Die aufklärungsbedürftigen Umstände waren unstreitig einem Vorstandsmitglied der Klägerin bekannt gewesen. Dieses Wissen musste bei ordnungsgemäßer Organisation der bankinternen Informationsweitergabe aber für alle mit der Vermarktung des Bauträgermodells befassten Mitarbeiter verfügbar gehalten und von ihnen genutzt werden.
Zur weiteren Sachaufklärung, vor allem zur Feststellung des konkreten Schadens, verwies der BGH die Sache an das OLG zurück.
Praxishinweis
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist stets zu vermuten, dass eine in einem wesentlichen Punkt falsche oder unvollständige Beratung für die Anlageentscheidung ursächlich ist. Diese tatsächliche Vermutung muss der Beklagte im konkreten Einzelfall positiv widerlegen, um einer Verurteilung entgehen zu können.
Link zur Entscheidung
BGH-Urteil vom 13.1.2004, XI ZR 355/02