Leitsatz
Rät der steuerliche Berater dem Mandanten pflichtwidrig zur Aufgabe des Gewerbebetriebs und führt diese zur Aufdeckung stiller Reserven, stellt die hierauf entfallende Einkommensteuer grundsätzlich einen Schaden dar.
Sachverhalt
Der Kläger betrieb in einem ihm gemeinsam mit seiner Ehefrau gehörenden Wohn- und Geschäftshaus einen Einzelhandel. Zum 1.7.1995 verpachtete er die betrieblich genutzten Räume an seine Tochter, der er auch den Warenbestand und das Inventar verkaufte. Diese führt das Geschäft fort. Später beauftragte der Kläger den beklagten Steuerberater mit der Erledigung der Steuerpflichten im Zusammenhang mit einer möglichen Betriebsaufgabe. Der Beklagte errechnete anstatt des tatsächlichen Aufgabegewinns einen Aufgabeverlust von 402940,19 DM und belehrte den Kläger, dass im Falle der Betriebsaufgabe keine Steuerlast anfalle. Darauf entschloss sich der Kläger, rückwirkend zum 31.12.1996 die Betriebsaufgabe gegenüber dem Finanzamt zu erklären. Die Einkommensteuer wurde zunächst mit Null festgesetzt. Anlässlich einer 1998 durchgeführten Betriebsprüfung ermittelte das Finanzamt unter Aufdeckung stiller Reserven einen Aufgabegewinn von 610241 DM und setzte eine Steuerschuld nebst Nachzahlungszinsen von 139888,44 DM fest. Die Steuerschuld wurde später mit Hilfe eines verzinslichen Darlehens ausgeglichen. Die Vorinstanzen haben den Steuerberater zum Ersatz dieses Betrages sowie angefallener Zinsaufwendungen verurteilt.
Entscheidung
Die Aufgaben des Steuerberaters ergeben sich aus Inhalt und Umfang des ihm erteilten Mandats. In den hierdurch gezogenen Grenzen hat er den Auftraggeber umfassend zu beraten. Im Streitfall hatte der Beklagte auf der Grundlage des ihm erteilten Auftrags über die steuerlichen Auswirkungen einer zum 31.12.1996 in Erwägung gezogenen Betriebsaufgabe zu beraten, die steuerlich der Veräußerung des Betriebs gleichgestellt ist und zu laufenden Einkünften aus Gewerbebetrieb führen kann. Aufgabegewinn ist der Betrag, um den die Summe aus dem gemeinen Wert der ins Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter und aus den im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Aufgabe angefallenen Erträgen nach Abzug der Aufgabekosten den (Buch-)Wert des Betriebsvermögens im Zeitpunkt der Aufgabe übersteigt. Eine Verrechnung der stillen Reserven mit den betrieblichen Schulden findet also nicht statt, was der Steuerberater hier aber übersehen hatte. Angesichts der unstreitigen Höhe des Aufgabegewinns, war die Empfehlung des Beklagten pflichtwidrig, schuldhaft und auch geeignet, Vermögensnachteile für die Mandanten auszulösen.
Der Ersatzpflichtige hat den Zustand herzustellen, der ohne seine Pflichtverletzung bestünde. Deshalb ist zu prüfen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten des Steuerberaters genommen hätten, insbesondere wie der Mandant darauf reagiert hätte, und wie dessen Vermögenslage dann wäre. Aus der wirtschaftlichen Unsinnigkeit der Betriebsaufgabe zum 31.12.1996 leitet der BGH die Verpflichtung des Beraters ab, seinem Mandanten von der Betriebsaufgabe abzuraten. Die Richter hegen keine Zweifel daran, dass der Mandant dieser Empfehlung auch gefolgt wäre. Es gilt hier regelmäßig die Vermutung, dass der Mandant beratungsgemäß gehandelt hätte, wenn nach der Lebenserfahrung bei vertragsgemäßer Leistung des Beraters lediglich ein bestimmtes Verhalten in Frage gekommen wäre. Da der Kläger in den Jahren nach 1996 nur geringe bzw. gar keine Einkommensteuer hatte zahlen müssen, wäre eine Verschiebung der Betriebsaufgabe die einzig richtige Empfehlung gewesen. In der Zwischenzeit hätte sich die Möglichkeit der weiteren dauerhaften Verpachtung des Betriebs an die Tochter angeboten. Dadurch wäre auch die Aufdeckung stiller Reserven zu vermeiden gewesen.
Praxishinweis
Der beklagte Berater muss gleichermaßen die vorprozessual aufgewendeten Anwaltskosten erstatten. Ein Schädiger ist stets verpflichtet, die adäquat verursachten Rechtsverfolgungskosten zu ersetzen, die aus Sicht des Schadensersatzgläubigers zur Wahrnehmung und Durchsetzung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren.
Link zur Entscheidung
BGH-Urteil vom 23.10.2003, IX ZR 249/02