Leitsatz
Kommt die Inanspruchnahme alternativer Steuervergünstigungen mit unterschiedlichen Rechtsfolgen in Betracht, hat der Steuerberater grundsätzlich immer über die verschiedenen Möglichkeiten umfassend zu belehren. Dies gilt selbst dann, wenn zur Zeit der Belehrung noch nicht erkennbar ist, ob die unterschiedlichen Rechtsfolgen für den Mandanten jemals bedeutsam werden. Hat der Steuerberater schuldhaft über die Wirkung des Objektverbrauchs bei § 7b EStG nicht belehrt, so beginnt die Verjährung des daraus herrührenden Ersatzanspruchs nicht mit Bestandskraft des letzten diese Abschreibung gewährenden Bescheides. Ihr Lauf beginnt vielmehr erst mit Zugang des Bescheides, mit dem die erhöhte Abschreibung für ein weiteres Objekt versagt wird.
Sachverhalt
Die Kläger hatten nach Beratung durch ihren Steuerberater in den Jahren 1981 und 1983 je eine – später vermietete – Eigentumswohnung erworben und hierfür Abschreibungen auf der Basis des § 7b EStG geltend gemacht. Für ein 1993 gekauftes Einfamilienhaus versagte das Finanzamt eine Förderung nach § 10e EStG unter Hinweis auf den eingetretenen Objektverbrauch. Die Kläger verlangen von ihrem Steuerberater Schadenersatz, weil die Steuerersparnis auf der Basis des § 10e EStG höher gewesen wäre, als die zunächst erlangten Vergünstigungen. Sie vertreten die Auffassung, der Steuerberater habe seinerzeit die Anwendung des § 7 Abs. 5 EStG empfehlen müssen.
Entscheidung
Der Steuerberater hat im Rahmen seines Auftrags den Mandanten umfassend zu beraten und ungefragt über alle bedeutsamen steuerlichen Einzelheiten und deren Folgen zu unterrichten. Insbesondere muss er seinen Auftraggeber möglichst vor Schaden bewahren. Deswegen hat er den sichersten Weg zu dem erstrebten steuerlichen Ziel aufzuzeigen und sachgerechte Vorschläge zu dessen Verwirklichung zu unterbreiten. Kommen verschiedene steuerrechtliche Wege mit unterschiedlichen Vor- und Nachteilen in Betracht, so hat der Steuerberater seinem Auftraggeber diese Möglichkeiten und die mit ihnen verbundenen Rechtsfolgen aufzuzeigen. Die Beratung soll den Mandanten in die Lage versetzen, eigenverantwortlich seine Rechte und Interessen wahren und eine Fehlentscheidung vermeiden zu können. Im Streitfall konnten die Kläger zwischen den Abschreibungsmöglichkeiten der §§ 7 Abs. 5 und 7b EStG wählen. Daher gehörte es zu den typischen Vertragspflichten des Steuerberaters, seinen Mandanten die beiden Alternativen mit deren jeweiligen Rechtsfolgen umfassend zu erläutern. Dabei ist es nach Meinung des BGH unbeachtlich, dass ein weiterer Immobilienerwerb überhaupt nicht im Raum stand. Da eine solche Möglichkeit dem Steuerberater gegenüber nicht explizit ausgeschlossen worden war, gehörte es zu dessen Aufgaben, die aus der aktuellen steuerlichen Entscheidung sich für die Zukunft beim Steuerpflichtigen ergebenden – auch theoretischen – Rechtsfolgen zu berücksichtigen und zu erläutern. Damit hätte er über den drohenden Objektverbrauch informieren müssen.
Die Verjährung des Ersatzanspruchs gegen den Steuerberater beginnt gemäß § 68 StBerG mit der Entstehung des Regressanspruchs. Ein Schaden war mit Bestandskraft der Steuerbescheide, die die Abschreibungen für die 1981 und 1983 erworbenen Wohnungen anerkannten, noch nicht eingetreten. Zwar hatten diese Bescheide zur Folge, dass die Kläger aus Rechtsgründen für weitere Gebäude keine erhöhten Abschreibungen mehr in Anspruch nehmen konnten. Dieser Objektverbrauch stellte aber zu diesem Zeitpunkt noch keinen wirtschaftlichen Nachteil dar, weil damals nicht feststand, dass sie in Zukunft ein weiteres Gebäude erwerben würden. Die Bestandskraft der Bescheide bewirkte für die Kläger somit lediglich das Risiko, im Falle eines weiteren Grundstückserwerbs in der Zukunft Nachteile zu erleiden. Solange jedoch noch offen war, ob das mit dem Risiko verbundene Verhalten zu einem Schaden des Mandanten führte, wurde die Verjährungsfrist nicht in Lauf gesetzt. Der Mandant erleidet infolge fehlerhafter Beratung in steuerlichen Angelegenheiten eine Vermögenseinbuße grundsätzlich erst dann, wenn der Beratungsfehler zu einem ihn belastenden Bescheid der Finanzbehörde geführt hat. Erst dieser zu seinen Ungunsten erlassene Bescheid bewirkt einen beeinträchtigenden Eingriff. Dies gilt unabhängig davon, ob die Finanzbehörde einen Leistungsbescheid erlässt oder einen beantragten Steuervorteil durch einen Grundlagenbescheid versagt.
Der BGH sprach den Klägern allerdings (noch) keinen Schadensersatz zu, weil der Sachverhalt noch nicht ausreichend geklärt war.
Praxishinweis
Die Entscheidung illustriert erneut ein ganz erhebliches – zeitlich fast unberechenbares – Regressrisiko für den Berufsangehörigen. Von welchen tatsächlichen oder rechtlichen Umständen die für den Steuerpflichtigen ungünstige Entscheidung des Finanzamts im Einzelfall abhängt, ist unerheblich. Es kommt grundsätzlich nicht darauf an, welcher Art der vom Steuerberater zu verantwortende Fehler ist. Der BGH stellt selbst dann, wenn der Steuerberater ...