Leitsatz
Oft gibt es Streit darüber, für welche Werkstatt ein Geschädigter die Reparaturkosten an seinem verunfallten Fahrzeug beanspruchen kann. Der Verweis des Geschädigten auf eine freie Fachwerkstatt ist zumindest unzumutbar, wenn der Versicherer des Schädigers dort Sonderkonditionen erhält.
Sachverhalt
Der BGH hatte erneut über einen Fall zu entscheiden, bei dem die Schadensminderungspflicht des Geschädigten eines Verkehrsunfalls in Streit stand. Der Geschädigte verlangte Ersatz der durch einen Sachverständigen ermittelten Reparaturkosten für seinen 7 Jahre alten Mercedes, der eine Laufleistung von mehr als 100000 KM aufwies. Grundsätzlich war die beklagte Versicherung zur Begleichung des Schadens bereit. Jedoch wollten sie lediglich die Stundensätze einer freien und nicht markengebunden Reparaturwerkstatt bezahlen. Hiergegen wendete sich der Kläger und zog bis vor den BGH. Das LG hatte wegen der grundsätzlichen Bedeutsamkeit der Sache die Revision trotz des niedrigen Streitwerts von 883 EUR zugelassen.
Der BGH stellte bereits wiederholt klar, dass der Geschädigte eines Verkehrsunfalls grundsätzlich im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht auf eine freie Werkstatt verwiesen werden kann. Dies gelte jedenfalls dann, wenn die markenungebundene Werkstatt nachweislich eine Reparatur in gleicher Güte und Qualität durchführen kann, wie die markengebundene Fachwerkstatt. Im Urteilsfall konnte dies durch ein Sachverständigengutachten zweifelsfrei nachgewiesen werden. Weitere Voraussetzung ist, dass die freie Werkstatt mühelos und ohne Weiteres zugänglich ist.
Jedoch machte das Gericht ebenso deutlich, dass der Verweis auf eine solche Werkstatt im Einzelfall dennoch unzumutbar sein kann. Eine Unzumutbarkeit sei, insbesondere dann gegeben, wenn der Geschädigte sein Fahrzeug in der Vergangenheit stets nur in einer bestimmten Vertragswerkstatt seines Vertrauens reparieren ließ. In diesem Fall komme es auch nicht darauf an, dass das Fahrzeug bereits eine sehr hohe Laufleistung von mehr als 100000 KM aufweise. Ebenso sei eine Unzumutbarkeit dann ergeben, wenn die Werkstatt, auf die der Versicherer verweist, als Partnerwerkstatt des Versicherers zu besonders günstigen Konditionen für den Versicherer tätig wird, während "Normalkunden" höhere Stundensätze in Rechnung gestellt werden.
In diesem Fall würde die dem Geschädigten nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zustehende Ersetzungsbefugnis unterlaufen, die den Geschädigten davon befreit, die beschädigte Sache dem Schädiger oder einer von diesem ausgewählten Person zur Reparatur anvertrauen zu müssen. Dem Geschädigten dürfe die Möglichkeit der Schadensbehebung in eigener Regie nicht genommen werden.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteil vom 22.06.2010, VI ZR 337/09BGH, Urteil v 22.6.2010, VI ZR 337/09.