1 Leitsatz
Verlangt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer einerseits von einem Wohnungseigentümer als Bauherrn und andererseits vom bauausführenden Unternehmen sowie Planern Schadensersatz, ist es in der Regel zweckmäßig, das WEG-Gericht sachlich für zuständig zu erklären.
2 Normenkette
§ 43 WEG; § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO
3 Das Problem
Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer K will wegen Schäden am gemeinschaftlichen Eigentum, die durch den Ausbau eines Dachgeschosses verursacht wurden, auf Feststellung vorgehen gegen: B1 und B2, die Wohnungseigentümer, die ein Dachgeschoss ausbauen ließen, B3, den Werkunternehmer, B4, einen Tragwerksplaner und B5, einen Zimmermann. Fraglich ist, welches Gericht auf Antrag der K als zuständig zu bestimmen ist (alle Beklagten wohnen im Landgerichtsbezirk Augsburg oder unterhalten dort einen Geschäftsbetrieb). Die Höhe der Schäden, die Gegenstand der Feststellungsanträge sind, schätzt K auf ca. 400.000 EUR.
4 Die Entscheidung
Das BayObLG bestimmt das AG Augsburg als das gemeinsam sachlich zuständige Gericht. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ermögliche aus Gründen der Zweckmäßigkeit und der Prozessökonomie die einheitliche Prozessführung gegen Streitgenossen ohne gemeinschaftlichen Gerichtsstand vor einem Gericht auch in sachlicher Hinsicht. Dass für einen oder mehrere Streitgenossen eine ausschließliche Zuständigkeit bestehe, hindere die gerichtliche Zuständigkeitsbestimmung nicht. Für wohnungseigentumsrechtliche Streitigkeiten nach § 43 Abs. 2 WEG würden keine Besonderheiten gelten. Auch dort sei eine Zuständigkeitsbestimmung möglich, wenn dessen Voraussetzungen erfüllt seien (Hinweis u. a. auf BeckOK WEG/Elzer, 53. Ed. 3.7.2023, § 43 Rn. 107). Der Senat bestimme als zuständiges Gericht das AG Augsburg, weil diesem die sachliche Zuständigkeit für Wohnungseigentumssachen obliege und die wohnungseigentumsrechtliche Rechtslage hier auch maßgebliche Bedeutung haben dürfte. Die Bestimmung des für einen Streitgenossen ausschließlich zuständigen Gerichts auch für das Verfahren gegen den anderen Streitgenossen sei meist sachgerecht, weil damit dem Gesichtspunkt der Spezialisierung gerade dieses Gerichts Rechnung getragen werde. Dass für die Entscheidung voraussichtlich auch dem Gebiet des Baurechts zuzuordnende fachliche und rechtliche Fragen eine Rolle spielen werden, spreche nicht gegen die Bestimmung, denn dies sei in wohnungseigentumsrechtlichen Streitigkeiten nichts Ungewöhnliches.
5 Hinweis
Problemüberblick
Für den Rechtsstreit besteht kein für alle Beklagten gemeinsam sachlich zuständiges Gericht. Für die Klage gegen B1 und B2 ist gem. § 23 Nr. 2 Buchstabe c) GVG das AG Augsburg ausschließlich zuständig. Demgegenüber ist für die Klage gegen B3, B4 und B5 die sachliche Zuständigkeit des LG begründet, weil im Verhältnis zu diesen keine dem AG zugewiesene Streitigkeit in einer Wohnungseigentumssache vorliegt und der Streitwert nach dem Vortrag der K zum Umfang und zur Höhe der Gebäudeschäden zweifelsfrei über 5.000 EUR liegt. Um dennoch an einem Ort zu klagen, kann man aber, wie im Fall, nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO ein Gericht als zuständig bestimmen lassen.
Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?
Der Fall zeigt, dass es möglich ist, nicht nur gegen den bauenden Wohnungseigentümer vorzugehen, sondern im begründeten Einzelfall auch gegen die bauausführenden Unternehmen und Planer. Auch diese können Schadensersatz schulden, wenn sie schuldhaft Pflichten gegenüber den anderen Wohnungseigentümern verletzt haben. Der Bauvertrag kann ein Vertrag mit Schutzwirkung sein. Außerdem wird es sich bei der Bausubstanz um gemeinschaftliches Eigentum gehandelt haben.
6 Entscheidung
BayObLG, Beschluss v. 24.8.2023, 102 AR 123/23