0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Mit Inkrafttreten des Art. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG) v. 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) zum 1.1.2018 ist neben § 237a als weitere Strafvorschrift § 237b in das SGB IX eingefügt worden. Die Vorschrift ersetzt – gemeinsam mit § 237a – den bisherigen § 155.
1 Allgemeines
Rz. 2
Im Gesetzgebungsverfahren zum SGB IX im Rahmen des BTHG bestand zunächst die Absicht, die Strafvorschrift des § 155 aufzuheben (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 18/9522). Zur Begründung wurde in dem Gesetzentwurf ausgeführt, eine besondere Strafvorschrift, die sich ausschließlich gegen die Vertrauenspersonen richte, sei entbehrlich, es fänden auch für die Vertrauenspersonen der schwerbehinderten Menschen die allgemeinen strafrechtlichen Vorschriften des Strafgesetzbuches Anwendung.
Rz. 3
Diese Auffassung teilte der Bundesrat nicht. In seiner Stellungnahme v. 23.9.2016 (BR-Drs. 428/15, Beschluss) wies er darauf hin, dass die Nichtübernahme des § 155 zu Strafbarkeitslücken führe, wenn es um Vertrauenspersonen schwerbehinderter Menschen in Privatunternehmen gehe. Diese seien in der Regel weder Amtsträger, für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete, noch Personen, die Aufgaben und Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht wahrnehmen, so dass sie dann insbesondere nicht unter § 203 StGB fielen.
Rz. 4
Die Bundesregierung sagte in ihrer Gegenäußerung zu der Stellungnahme des Bundesrates zu, der Prüfbitte des Bundesrates nachkommen zu wollen. Allerdings komme eine unveränderte Übernahme des § 155 a. F. nicht in Betracht, weil er den modernen Anforderungen des Nebenstrafrechts nicht mehr entspreche.
Mit einem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen im Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages wurde als Ergebnis dieser Prüfung § 155 in der bis 31.12.2017 geltenden Fassung unter Beachtung der nebenstrafrechtlichen Anforderungen durch die §§ 237a und 237b ersetzt (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales, BT-Drs. 18/10523 zu Art. 1 Nr. 1 Buchstab. qq und rr).
Rz. 5
Die Strafvorschrift betrifft nur die Vertrauenspersonen der schwerbehinderten Menschen (§§ 177 bis 180), die zur Geheimhaltung aufgrund des § 179 Abs. 7 ausdrücklich verpflichtet sind. Die Vorschrift gilt nicht für andere Personen wie Vertreter in Ausschüssen, Mitglieder der betrieblichen Interessenvertretungen oder die Inklusionsbeauftragten des Arbeitgebers (§ 181), soweit sie Aufgaben nach den besonderen Regelungen des Teils 3 wahrnehmen. Soweit diese gegen ihnen obliegende Verpflichtungen verstoßen, sind die strafrechtlichen Folgen in anderen Rechtsvorschriften geregelt.
2 Rechtspraxis
Rz. 6
Abs. 1 benennt die Tatbestände, die mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit einer Geldstrafe geahndet werden. Das sind nach der Formulierung, die auf § 179 Abs. 7 Satz 1 verweist, alle die in § 179 Abs. 1 Satz 1 insgesamt aufgeführten Verpflichtungen der Vertrauenspersonen, also sowohl die in der dortigen Nr. 1 als auch die in der dortigen Nr. 2 genannten Verpflichtungen. Ein Verstoß gegen die in § 179 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 genannte Verpflichtung ist aber bereits in der vorangehenden Strafvorschrift des § 237a strafbewehrt und damit sowohl nach § 237a als auch nach § 237b. Es ist davon auszugehen, dass ein Verstoß gegen die Verpflichtung aus § 179 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 lediglich nach § 237a strafbewehrt sein sollte und nicht zusätzlich auch nach § 237b, es sich möglicherweise um ein Missverständnis in der Formulierung des § 237b Abs. 1 gehandelt hat und hier tatsächlich allein ein Verstoß gegen die Verpflichtung nach § 179 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 zu regeln war, der in § 237a nicht geregelt ist.
Rz. 7
In Abs. 2 ist – wie in der bis 31.12.2017 geltenden Vorschrift des § 155 Abs. 2 Satz 1 – bestimmt, dass in den Fällen, in denen der Täter gegen Entgelt oder in der Absicht, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen, handelt, die Freiheitsstrafe ebenso wie in § 237a in den Fällen eines Verstoßes gegen die Geheimhaltung von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen (§ 179 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2) auch in den Fällen des § 179 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 die Strafe Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren ist.
Rz. 8
Nach Abs. 3 wird die Tat ebenso wie in den Fällen der in § 237a beschriebenen Pflichtverstöße nur auf Antrag verfolgt.