2.1 Arbeitnehmerähnliches Rechtsverhältnis
Rz. 2
Abs. 1 enthält den Grundsatz, dass im Arbeitsbereich der Werkstätten beschäftigte behinderte Menschen, die nach den Vorschriften und Grundsätzen des allgemeinen Arbeitsrechts nicht Arbeitnehmer sind und damit nicht in einem regulären Arbeitsverhältnis stehen. Im Verhältnis zu dem Träger der Werkstatt ist das Rechtsverhältnis als arbeitnehmerähnlich anzusehen. Dieses Rechtsverhältnis hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts v. 23.7.1996 (BGBl. I S. 1088) mit Wirkung zum 1.8.1996 eingeführt.
Rz. 3
Auf das arbeitnehmerähnliche Rechtsverhältnis sind arbeitsrechtliche und arbeitsschutzrechtliche Grundsätze anzuwenden. Der Gesetzgeber ist in einer nicht abschließenden Aufzählung davon ausgegangen, dass dies insbesondere arbeitsrechtliche Grundsätze und Vorschriften über Arbeitszeit, Urlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und an Feiertagen, Erziehungsurlaub (Elternzeit) und Mutterschutz sowie Persönlichkeitsschutz und Haftungsbeschränkung seien (Bericht des Ausschusses für Gesundheit, BT-Drs. 13/3904 S. 48).
Rz. 4
Neben dem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis besteht ein Sozialleistungsverhältnis sowohl zwischen dem Träger der Werkstatt und dem Sozialleistungsträger als auch zwischen dem behinderten Menschen und dem Sozialleistungsträger. Dieses besteht als öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis in der Form, als es um die Erbringung von Sozialleistungen geht.
Das Sozialleistungsverhältnis schränkt das zwischen dem Werkstattträger und dem behinderten Menschen bestehende Rechtsverhältnis nicht ein.
Rz. 5
Für Rechtsstreitigkeiten aus dem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis zwischen dem Werkstattträger und dem im Arbeitsbereich beschäftigten behinderten Menschen ist seit dem 1.8.1996 der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnet (§ 2 Abs. 1 Nr. 10 Arbeitsgerichtsgesetz).
2.2 Arbeitsentgelt
2.2.1 Pflicht zur Zahlung
Rz. 6
Die Werkstätten sind verpflichtet, an die im Arbeitsbereich beschäftigten behinderten Menschen aus dem erwirtschafteten Arbeitsergebnis ein Arbeitsentgelt zu zahlen. Mit der Verpflichtung der Werkstätten korrespondiert ein Rechtsanspruch der im Arbeitsbereich der Werkstätten beschäftigten Menschen auf ein leistungsangemessenes Arbeitsentgelt. Die Verpflichtung der Werkstätten besteht nur gegenüber den im Arbeitsbereich Beschäftigten, nicht gegenüber den an Maßnahmen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich teilnehmenden behinderten Menschen. Diese erhalten während der Maßnahmen kein Arbeitsentgelt, sondern Lohnersatzleistungen von den zuständigen Rehabilitationsträgern, soweit die Bundesagentur für Arbeit zuständig ist, i. d. R. Ausbildungsgeld (vgl. § 65 Abs. 5).
Die Vorschrift konkretisiert § 219 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, wonach die Werkstätten den dort beschäftigten behinderten Menschen eine Beschäftigung zu einem ihrer Leistung angemessenen Arbeitsentgelt aus dem Arbeitsergebnis anzubieten haben.
2.2.2 Zusammensetzung
Rz. 7
Das Arbeitsentgelt setzt sich zusammen aus einem Grundbetrag und einem leistungsangemessenen Steigerungsbetrag. Die frühere Regelung in § 54b Schwerbehindertengesetz (SchwbG), die die Zusammensetzung des Arbeitsentgelts als Soll-Vorschrift formulierte und die Zahlung eines Steigerungsbetrags im Übrigen unter den Vorbehalt gestellt hatte, dass das Arbeitsergebnis die Zahlung eines Steigerungsbetrages überhaupt zulasse, ist nicht übernommen worden. Dies könnte als redaktionelles Versehen des Gesetzgebers angesehen werden, betrachtet man die Begründung der Vorschrift im Gesetzentwurf zum SGB IX (BT-Drs. 14/5074 S. 115), in der formuliert ist, dass § 54b SchwbG inhaltsgleich übernommen worden sei. Der Gesetzgeber hatte die Vorgängervorschrift § 54b SchwbG hinsichtlich der Höhe des Grundbetrages als "Sollvorschrift" ausgestaltet und damit zum Ausdruck gebracht, dass ein Grundbetrag in dieser Höhe die Regel sein solle, die Zahlung eines Grundbetrages in geringerer Höhe nur bei Vorliegen eines Ausnahmefalles zulässig sein dürfte. Ein solcher Fall könnte etwa dann vorliegen, wenn das Arbeitsergebnis der Werkstätten für eine Zahlung des Mindestgrundbetrages an alle Beschäftigten insgesamt nicht ausreiche (hierzu auch BAG, Urteil v. 3.3.1999, 5 AZR 162/98).
Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass im Regelfall in allen Werkstätten ein Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des Grundbetrages gezahlt werden kann. Dies zeigen auch die Durchschnittsentgelte in den Werkstätten, die jährlich im Zusammenhang mit der Statistik über die Erstattung der Rentenversicherungsbeiträge dokumentiert werden. Die Möglichkeiten der Werkstätten zur Zahlung höherer Arbeitsentgelte an die Beschäftigten hat der Gesetzgeber im Übrigen durch die in § 58 getroffenen Regelungen zur Zahlung der Vergütungen durch die Rehabilitationsträger verbessert. Die Sollvorschrift ist damit inhaltlich ersetzt worden.
Rz. 8
Die Zahlung eines Grundbetrages in Höhe des Ausbildungsgeldes, das die Bundesagentur für Arbeit nach den für sie geltenden Vorschriften im Berufsbildungsbereich leistet, soll sicherstellen, dass die im Arbeitsbereich beschäftigten behin...