Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Frage der Steuerfreiheit einer Aufwandsentschädigung
Leitsatz (amtlich)
Eine Aufwandsentschädigung für eine ehrenamtliche Tätigkeit im Verwaltungsausschuss eines Versorgungswerks für Rechtsanwälte ist nicht gem. § 3 Nr. 12 EStG steuerfrei.
Normenkette
EStG § 3 Nrn. 12, 26
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Steuerfreiheit einer Aufwandsentschädigung.
Der Kläger war in den Streitjahren 2003 bis 2006 als Rechtsanwalt und Notar tätig und erzielte hieraus Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Er war Mitglied des Vorstands des Verwaltungsausschusses des Schleswig-Holsteinischen Versorgungswerks für Rechtsanwälte. Er bekam für seine ehrenamtliche Tätigkeit im Verwaltungsausschuss in den Streitjahren folgende Aufwandsentschädigungen:
....
Der Kläger stellte sich im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung auf den Standpunkt, dass die Aufwandsentschädigungen nach § 3 Nr. 12 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei seien. Der Beklagte folgte dem nicht und behandelte die Aufwandsentschädigungen als steuerbare Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Sinne von § 18 EStG.
Mit Einkommensteueränderungsbescheid vom 14. Januar 2009 wurde die Einkommensteuer 2003 auf ... € festgesetzt. Mit Einkommensteuerbescheid vom 07. Februar 2006 wurde die Einkommensteuer 2004 auf ... € festgesetzt. Mit Einkommensteueränderungsbescheid vom 13. November 2007 wurde die Einkommensteuer 2005 auf ... € festgesetzt und mit Einkommensteuerbescheid vom 16. Juli 2008 wurde die Einkommensteuer 2006 auf ... € festgesetzt. Die vom Kläger seitens des Versorgungswerkes bezogenen Aufwandsentschädigungen wurden jeweils als steuerbare Einkünfte berücksichtigt.
Der Kläger legte gegen diese Steuerbescheide bzw. die Ursprungsbescheide jeweils fristgerecht Einspruch ein und wandte sich gegen die Steuerpflicht der Aufwandsentschädigungen. Es bestehe eine gesetzliche Verpflichtung der Rechtsanwälte, Mitglied im Schleswig-Holsteinischen Versorgungswerk für Rechtsanwälte zu werden. Die berufsständischen Versorgungswerke seien ein Alterssicherungssystem im Bereich der Basisversorgung. Sie fielen genau wie die gesetzliche Rentenversicherung unter den in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 des Grundgesetzes (GG) genannten Gattungsbegriff „Sozialversicherung“. Zudem seien die angestellt tätigen Rechtsanwälte von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit. Das Versorgungswerk sei der gesetzlichen Sozialversicherung gleichzusetzen und nicht als Betrieb gewerblicher Art anzusehen, sondern dem Bereich der Hoheitsverwaltung zuzurechnen. Die berufsständischen Versorgungswerke seien mit einer privaten Lebensversicherung nicht vergleichbar. Sie seien als öffentlich-rechtliche Körperschaften organisiert und er leiste für diese Körperschaft öffentliche Dienste.
Der Beklagte hat die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Einsprüche mit Einspruchsentscheidung vom 05. August 2009 als unbegründet zurückgewiesen.
Der Kläger hat am 27. August 2009 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, dass der Beklagte mit höchstrichterlicher Finanzrechtssprechung aus den 70er Jahren argumentiere. Während Anfang der 70er Jahre nur ganz wenige berufsständische Versorgungseinrichtungen existiert hätten, hätten zwischenzeitlich sämtliche verkammerten Berufe in allen Bundesländern berufsständische Versorgungswerke errichtet, die ganz überwiegend als selbständige Körperschaften öffentlichen Rechts organisiert seien. Die Versorgungswerke verwalteten insgesamt 150 Milliarden €. Die Errichtung des schleswig-holsteinischen Versorgungswerks für Rechtsanwälte gehe zurück auf ein Gesetz aus dem September 1984 und verwalte etwa 500 Millionen €. Es sei heute verfassungsrechtlich unbestritten, dass die berufsständische Versorgung ebenso wie gesetzliche Rentenversicherungen zur so genannten ersten Säule der Alterssicherung gehöre. Sie falle, ebenso wie die gesetzliche Rentenversicherung unter den in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG genannten Gattungsbegriff „Sozialversicherung.“
Der Bundesgerichtshof habe in einer Entscheidung vom 09. Juli 2009 (5 StR 263/08) für die Mitglieder des Verwaltungsausschusses eines Versorgungswerkes die Amtsträgereigenschaft bejaht und in der Begründung zum Ausdruck gebracht, dass das Versorgungswerk Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehme. Die Vergleichbarkeit des Versorgungswerkes mit der Rentenversicherung verdeutliche sich auch an der Vorschrift des § 172 Abs. 2 SGB XI. Danach verpflichte der Gesetzgeber den Arbeitgeber zur Zahlung der Hälfte des Beitrages zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung für Beschäftigte, die von der Versicherungspflicht der gesetzlichen Rentenversicherung befreit seien. Auch das Bundesverfassungsgericht habe in einer Entscheidung vom 04. April 1989 (1 BvR 685/88, NJW 1990, 1653) ausdrücklich festgestellt, dass der Vergleich mit einer Lebensversicherung unzulässig sei. Deshalb sei die Rechtsauffassung des Beklagten ...