Revision eingelegt (BFH V R 20/24)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzbesteuerung von Restguthaben aus Prepaid-Verträgen
Leitsatz (redaktionell)
Restguthaben aus Prepaid-Verträgen, die endgültig beim Provider verbleiben, stellen bei diesem ein umsatzsteuerpflichtiges Entgelt für von ihm während der Laufzeit des Prepaid-Vertrages gegenüber seinen Kunden erbrachte Leistungen dar (Anschluss an das BFH-Urteil vom 10. April 2019 XI R 4/17, BFHE 264, 382).
Normenkette
UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 17 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 Sätze 1-2
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob aus sogenannten Prepaid-Mobilfunkverträgen resultierende Restguthaben, die dem Telekommunikationsdienstleister zufallen, bei diesem der Umsatzbesteuerung unterliegen, und ob - soweit das der Fall sein sollte - der Beklagte verpflichtet ist, die darauf entfallende Umsatzsteuer im Billigkeitswege zu erlassen.
Bei der Klägerin handelt es sich um einen Telekommunikationsdienstleister in der Rechtsform einer AG. Im Streitjahr 2014 bestand zwischen ihr und der A GmbH (im Folgenden: A) eine umsatzsteuerliche Organschaft mit der Klägerin als Organträgerin.
A vermarktete Mobilfunkdienste mehrerer Netzbetreiber. Hierzu schloss die A, die selbst nicht über die für die Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen erforderliche (Netz-)Infrastruktur verfügte, mit den Netzbetreibern Diensteanbieter- bzw. Kooperationsverträge, auf deren Grundlage die Netzbetreiber der A Vertriebsrechte gegenüber Mobilfunkendkunden einräumten und A darüber hinaus die erforderliche (Netz-)Infrastruktur zur Verfügung stellten.
A vertrieb die Telekommunikationsdienstleistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung, insbesondere auch im Rahmen sogenannter Prepaid-Verträge. Dazu kaufte A zunächst von den Netzbetreibern SIM-Karten und Rufnummern ein und bot den Endkunden sodann sogenannte Starter-Pakete an, die eine SIM-Karte zur Nutzung in einem Mobilfunkgerät, eine zugewiesene Rufnummer sowie ein Startguthaben umfassten. Dafür zahlten die Kunden an A oder von ihr eingebundene Händler einen Einmalpreis. Nach Abschluss des Prepaid-Vertrages und Freischaltung der SIM-Karte konnten die Kunden das (Start-)Guthaben, das ihnen auf einem seitens der A eingerichteten und geführten persönlichen Kundenkonto gutgebracht wurde und das mittels verschiedener Bezahlsysteme jederzeit wieder aufgeladen werden konnte, für Mobilfunkleistungen der A (z.B. Telefonie, Short-Message-Service, mobiles Internet) oder für - von diesen eigenständig erbrachte - Leistungen von Drittanbietern (z.B. Klingeltöne, Spiele, Wallpaper, Wetterdienste, Bezahlung von Parkplatzgebühren über das Mobiltelefon) verwenden. Insofern stellte A dem Drittanbieter eine Schnittstelle für die Erbringung seiner Dienstleistung zur Verfügung.
Die Mobilfunkleistungen berechnete A den Kunden auf der Grundlage ihrer eigenen Tarifstruktur. Für die eigenständig von den Drittanbietern erbrachten Leistungen, die die Kunden bezogen, galten die jeweiligen Tarife der Drittanbieter. Die umsatzsteuerlichen Folgerungen aus den Leistungserbringungen wurden jeweils erst im Zeitpunkt der Inanspruchnahme der jeweiligen Leistung durch die Kunden und der damit einhergehenden (teilweisen) Einlösung der Guthaben gezogen. Dabei übernahm A nur die umsatzsteuerliche Rechnungsstellung für die von ihr erbrachten Mobilfunkleistungen. Für die umsatzsteuerlichen Konsequenzen aus von den Kunden in Anspruch genommenen Drittleistungen waren die jeweiligen Drittanbieter selbst verantwortlich.
Die von der Klägerin mit ihren Kunden geschlossenen Prepaid-Verträge waren unterschiedlich ausgestaltet. Sogenannte klassische Prepaid-Verträge, bei denen ein nutzungsabhängiges Guthaben vereinbart worden war, verfügten über eine unbestimmte Laufzeit. Sofern hingegen ein Zeitguthaben vereinbart worden war, galten die Verträge grundsätzlich für die Dauer des Zeitguthabens, konnten aber bis zum Ablauf des Zeitguthabens um ein hinzuerworbenes Zeitguthaben verlängert werden.
Bei längerer Nichtnutzung einer SIM-Karte hatte A im Rahmen eines aktivitätsorientierten Deaktivierungsverfahrens das Recht, den Prepaid-Vertrag zu kündigen. In diesen Fällen sandte A dem jeweiligen Kunden zunächst eine SMS-Benachrichtigung mit einem entsprechenden Hinweis. Ab diesem Zeitpunkt begann eine sogenannte Ausbuchungsfrist. Innerhalb dieser Frist blieben die SIM-Karten von der C und von E uneingeschränkt nutzbar, bei G hingegen war der Kunde für einen Zeitraum von sechs Monaten lediglich passiv erreichbar. Blieb die SIM-Karte auch innerhalb der Ausbuchungsfrist inaktiv, deaktivierte der jeweilige Netzbetreiber die SIM-Karte und teilte dies der A mit, die wiederum die Kunden per SMS benachrichtigte. In diesem Zeitpunkt endete der jeweilige Prepaid-Vertrag.
Sofern die SIM-Karte noch ein Guthaben aufwies, konnten die Kunden dies anschließend von A zurückfordern. Taten sie dies nicht, verblieb der Guthabenbetrag nach Ablauf der zivilrechtlichen Verjährungsfrist für den Rückforderungsanspruch grund...