Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Kindergeld bei unbeschränkt Steuerpflichtigen ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Kindergeldberechtigung nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG ist monatsbezogen zu beurteilen.
2. Bei einer gewerblichen Tätigkeit des nach § 1 Abs. 3 EStG veranlagten Kindergeldberechtigten ist der Zeitpunkt der tatbestandlichen Verwirklichung des Besteuerungssachverhalts durch die ausgeübte inländische steuerliche Tätigkeit entscheidend.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 1 Nr. 1, § 62 Abs. 1 Nr. 2, § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zu Recht die Kindergeldfestsetzung für das Kind A für die Monate Juni 2016 bis Oktober 2017 aufgehoben hat.
A ist die Tochter der Klägerin und wurde am XX.XX.XXXX geboren. Die Beklagte hat für A über viele Jahre Kindergeld gewährt.
Die Klägerin lebte seit Mai 1967 zusammen mit ihrem Ehemann C durchgehend in E und betrieb dort ein Hotel.
Mit Vertrag vom 6. Oktober 2015 verpachtete die Klägerin das Hotel. Ausgenommen war die Wohnung im 1. Obergeschoss, die die Klägerin weiterhin nutzte. Sie erzielte aus der Verpachtung ausweislich ihrer Bilanzen für 2016 und 2017 Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäߧ 15 Einkommensteuergesetz (EStG) .
Daraufhin hob die Beklagte mit Bescheid vom 20. Februar 2018 die Kindergeldfestsetzung für das Kind A für die Monate Juni 2016 bis Oktober 2017 auf und forderte für den genannten Zeitraum gezahltes Kindergeld in Höhe von 3.250,00 € zurück. Die Klägerin erstattete den geforderten Betrag.
Gegen den Bescheid vom 20. Februar 2018 legte die Klägerin fristgemäß Einspruch ein. Sie habe nach wie vor ihren Wohnsitz in E unter der alten Anschrift. Seit Ende Juni/Anfang Juli 2016 halte sie sich weitgehend in Italien auf und kümmere sich um ihren Vater, der infolge eines Schlaganfalls pflegebedürftig sei. Einen klassischen "Umzug" von E nach Italien habe es bis zum heutigen Tag nicht gegeben. Sie habe sämtliche Einkünfte in 2016 und 2017 zu 100 % in Deutschland erzielt. Ihre Kindergeldberechtigung ergebe sich aus § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG, für den Zeitraum ab Juni 2016 bis Oktober 2017 jedenfalls aus§ 62 Abs. 1 Nr. 2 a) EStG bzw. § 62 Abs. 1 Nr. 2 b) EStG.
Im Rahmen des Rechtsbehelfsverfahrens legte die Klägerin eine erweiterte Meldebescheinigung der Gemeinde E vom 23. April 2018 vor, wonach sie in der Zeit vom 25. Mai 2016 bis zum 1. Juli 2016 in E gemeldet war. Zudem legte sie eine Bescheinigung des Finanzamts G vom 31. Mai 2018 vor, aus der sich ihre Identifikationsnummer ergibt und in der bescheinigt wird, dass die Klägerin bis zum 24. Mai 2016 gemäß § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtig gewesen und danach gemäß § 1 Abs. 3 EStG beschränkt steuerpflichtig sei, weil sie gemäß § 49 EStG inländische Einkünfte erziele.
Mit Einspruchsentscheidung vom 17. Juli 2018 wies die Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Ein Anspruch auf Kindergeld könne anhand der eingereichten Unterlagen nicht bejaht werden. Auch wenn eine Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG vorliege, bestehe ein Anspruch auf Kindergeld nur für die Monate, in denen Einkommen tatsächlich zugeflossen sei. Einen Nachweis darüber, dass und ggf. in welchen Monaten der Klägerin im Streitzeitraum tatsächlich Einkommen zugeflossen sei, habe die Klägerin nicht erbracht.
Am 20. August 2018 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihre Ausführungen aus dem außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren. Die Beklagte verkenne, dass die Klägerin aus den vereinnahmten Pachtzahlungen nicht Überschuss-Einkünfte i.S. von § 21 EStG, sondern vielmehr Gewinneinkünfte gemäß § 15 EStG erziele, die monatlich entstünden und in den Jahresabschlüssen für 2016 und 2017 abgebildet seien. Bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb sei für die gebotene kindergeldspezifische monatsbezogene Betrachtungsweise auf die ausgeübte Tätigkeit abzustellen. Auf den Zufluss von Einnahmen komme es nicht an (BFH, Urteil vom 14. März 2018, III R 5/17).
Im Klageverfahren legte die Klägerin eine Bescheinigung der italienischen Steuerbehörden vom 29. Mai 2018 vor, wonach sie in Italien keine Einkünfte erzielt.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten über Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) vom 20. Februar 2018 in der Fassung der Einspruchsentscheidung der Beklagten vom 17. Juli 2018 aufzuheben,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 3.250,00 € nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.04.2018 zu zahlen,
die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf ihre Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet und sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle des Senats einverstanden erklärt.
Entscheidungsgrü...