Entscheidungsstichwort (Thema)
Bezüge eines Kassenzahnarztes aus sog. erweiterter Honorarverteilung
Leitsatz (redaktionell)
Einkünfte eines Kassenzahnarztes aus der sog. erweiterten Honorarverteilung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein gehören zu den nachträglichen Einkünften aus selbständiger Arbeit und nicht zu den – nur mit dem Besteuerungsanteil steuerbaren – sonstigen Einkünften i.S.d. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG.
Normenkette
EStG § 22 Nr. 1 S. 1, § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a, § 24 Nr. 2, § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 2 Abs. 1 Nr. 4, § 19 Abs. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1; GG Art. 3; AO § 174
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 03.02.2015; Aktenzeichen III R 40/14) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob das von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein aus der sogenannten erweiterten Honorarverteilung gezahlte Ruhegeld als nachträgliche Einkünfte aus selbständiger Arbeit oder als sonstige Einkünfte nach § 22 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG zu versteuern ist.
Die Kläger sind Eheleute, die bis zur Beendigung ihrer Berufstätigkeit als Zahnärzte selbständig freiberuflich tätig waren. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2006 erklärte der Kläger u. a. Einnahmen aus einer berufsständischen Versorgungseinrichtung in Höhe von 6.094 € als Renteneinnahmen (Beginn 01. April 2004). Dabei handelte es sich um Zahlungen nach den „Vorschriften für die erweiterte Honorarverteilung als Berufsunfähigen (Alters-) und Hinterbliebenenfürsorge der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein (AIHV)“. Nach § 2 der AIHV werden die zur Erfüllung der Ansprüche gemäß § 2 erforderlichen Mittel vierteljährlich durch einen festzusetzenden prozentualen Abzug von den über die Kassenzahnärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein abgerechneten Honoraren und Festzuschüssen der gesetzlichen Krankenkassen und der sonstigen Kostenträger gewonnen und bereitgestellt. Gemäß § 3 und § 4 AIHV werden unter dort geregelten Voraussetzungen Zahlungen aus der erweiterten Honorarverteilung als Ruhegeld bzw. Witwen-, Witwer- und Waisengeld geleistet. Zur Entscheidung über Leistungen aus der AIHV wird gemäß § 9 als Ausschuss ein Kuratorium gebildet. Ansprüche auf Leistungen können nach § 11 AIHV nicht erhoben werden, sollte die erweiterte Honorarverteilung durch behördliche Maßnahmen oder Beschluss der Vertreterversammlung geändert oder eingestellt werden.
Der Beklagte folgte der Steuererklärung und besteuerte in dem Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 14. Oktober 2008 und dem geänderten Bescheid vom 13. Oktober 2009, die jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung standen, 50 % der Einnahmen als sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG.
Aufgrund einer Kontrollmitteilung des Finanzministeriums des Landes Schleswig-Holstein erließ der Beklagte den gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 17. Mai 2011 und berücksichtigte die Zahlungen in Höhe von 6.094 € nunmehr als nachträgliche Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Sinne des § 18 EStG. In den Erläuterungen wurde ausgeführt, dass die Ruhegeldzahlungen nach den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 6. März 1959 (BStBl. 1959 III, Seite 231) steuerlich als nachträgliche Einkünfte im Sinne des § 24 Nr. 2 EStG bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit gemäß § 18 EStG zu erfassen seien.
Hiergegen legten die Kläger Einspruch ein und machten geltend, dass es zum Zeitpunkt des Erlasses des BFH-Urteils und der dazu ergangenen Verwaltungsanweisung vom 13. Oktober 1997 keine einschlägige gesetzliche Norm für die Besteuerung von Leistungen aus berufsständischen Versorgungswerken gegeben habe. Dies habe sich mit Wirkung ab 2005 mit der Schaffung des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG, also mit dem Alterseinkünftegesetz vom 5. Juli 2004 geändert. Zu den durch § 22 EStG erfassten Einkünften gehörten durch ausdrückliche Nennung auch die Leistungen aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen. Auch werde mit dem BMF-Schreiben vom 24. Februar 2005 (BStBl. I 2005, 429) in der Rz. 104 ein Berechnungsbeispiel über die Bestimmung des Vomhundertsatzes bei Leistungen aus einem berufsständischen Versorgungswerk gebracht, woraus eindeutig zu entnehmen sei, dass bei einem Beginn vor 2005 der Satz 50 % betrage. Im aktualisierten BMF-Schreiben vom 30. Januar 2008 (BStBl. 2008 I S. 390) werde in der Rz. 96 ausgeführt: „Leistungen aus berufsständischen Versorgungseinrichtungen werden nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG besteuert, unabhängig davon, ob die Beiträge als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG berücksichtigt wurden. Die Besteuerung erfolgt auch dann nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG, wenn die berufsständische Versorgungseinrichtung keine den gesetzlichen Rentenversicherungen vergleichbaren Leistungen erbringen.“ Zudem habe der Gesetzgeber sich in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dafür entschieden, alle B...