Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Beiordnung eines Rechtsanwaltes mit Sitz außerhalb des Gerichtsbezirks des Sozialgerichts. Einsparung der Kosten eines sog Verkehrsanwaltes nach § 121 Abs 4 ZPO. erstattungsfähige Kosten

 

Leitsatz (amtlich)

In Verfahren vor den Sozialgerichten kann ein Rechtsanwalt mit einem Sitz außerhalb des Gerichtsbezirks nur zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk ansässigen Rechtsanwalts beigeordnet werden.

Die Beiordnung kann sich zusätzlich auf die Kosten erstrecken, die durch die notwendige Beiordnung eines weiteren Anwaltes entstehen würden.

 

Orientierungssatz

Bei der Prüfung, ob die Beiordnung eines weiteren Verkehrsanwalts nach § 121 Abs 4 ZPO wegen besonderer Umstände erforderlich ist, ist auf die rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten des Rechtsstreits und die subjektiven Fähigkeiten der Parteien abzustellen. Diese können dann vorliegen, wenn einer Partei eine Informationsreise zu einem Rechtsanwalt am Sitz des Prozessgerichts nicht zugemutet werden kann oder wenn ihr eine schriftliche Information wegen des Umfangs, der Schwierigkeit oder der Bedeutung der Sache nicht zuzumuten ist (vgl BGH vom 23.6.2004 - XII ZB 61/04 = BGHZ 159, 370 = NJW 2004, 2749).

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 24. August 2009 dahingehend geändert, dass Rechtsanwalt B..., F..., zu den Bedingungen eines im Gerichtsbezirk des Sozialgerichts Lübeck ansässigen Prozessbevollmächtigten zu den Kosten beigeordnet wird, die bei zusätzlicher Beiordnung eines Verkehrsanwaltes angefallen wären.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Der in S..., Dänemark, wohnende Kläger begehrt in seiner Klage vor dem Sozialgericht Lübeck (S 18 R 620/08) eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Er wird von Rechtsanwalt B..., F..., vertreten. Das Sozialgericht Lübeck hat auf den Antrag des Klägers mit Beschluss vom 24. August 2009 für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt B..., F..., zu den Bedingungen eines ortsansässigen Prozessbevollmächtigten beigeordnet. Gegen diese Einschränkung der Beiordnung wendet sich der Kläger mit der am 14. September 2009 erhobenen Beschwerde. Zur Begründung trägt er vor, die Beauftragung eines Prozessbevollmächtigten in Lübeck würde höhere Kosten verursachen, weil dann seine Fahrtkosten nach Lübeck angerechnet werden müssten.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nur aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gelten die Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) über die Prozesskostenhilfe entsprechend.

Aus der entsprechenden Anwendung wurde bereits für § 121 Abs. 3 ZPO in der bis zum 31. Mai 2007 gültigen Fassung: “Ein nicht bei dem Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt kann nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen„ gefolgert, dass für die Sozialgerichtsbarkeit keine Einschränkung dahingehend gemacht werden könne, dass nur ein ortsansässiger Rechtsanwalt beigeordnet werden könne, sondern dass auf den gesamten Gerichtsbezirk des Sozialgerichts abzustellen sei (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23. August 2005 - L 2 B 36/05 AL -; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. September 2007 - L 9 B 35/07 SO -; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 1. März 2007 - L 5 B 580/06 AS PKH -). Ab 1. Juni 2007 lautet diese Vorschrift nunmehr: “Ein nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassener Rechtsanwalt kann nur beigeordnet werden, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen„. Dadurch ist klargestellt, dass seit 1. Juni 2007 der Bezirk eines Sozialgerichts maßgeblich ist. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts, der seine Kanzlei außerhalb des Gerichtsbezirks hat, ist nur möglich, wenn dadurch weitere Kosten, insbesondere in Form von Fahrtkosten sowie Tage- und Abwesenheitsgelder, nicht entstehen. Eine unbeschränkte Beiordnung von Rechtsanwalt B..., der seine Kanzlei in F..., und somit außerhalb des Gerichtsbezirks des Sozialgerichts Lübeck hat, wäre somit nicht möglich.

Allerdings kann gemäß § 121 Abs. 4 ZPO der Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozessbevollmächtigten beigeordnet werden, wenn besondere Umstände dies erfordern. Die Beiordnung eines zusätzlichen Anwaltes, eines so genannten Verkehrsanwaltes, kann somit geboten sein. Soweit durch die Beiordnung eines auswärtigen Prozessbevollmächtigten die Kosten eines solchen Verkehrsanwalts erspart werden, sind die durch die Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts entstehenden Reisekosten erstattungsfähig (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 16. Januar 2007 - L 10 R 6432/06 PKH - B unter Bezugnahme auf Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 18. Juni 2005 - 3 RZB 56/03 -; Bundesgerichtshof, Beschluss vom 23. Juni 2004 - XII ZB 61/...

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